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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
56.1994, Heft 1.1994
Seite: 71
(PDF, 32 MB)
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Ihr regiert doch die Länder! Seid wachsam und denkt an eure Ehre, damit man euch
nicht mit den Schiffsleuten vergleicht, die beim Herannahen eines Gew itters schlafen,
oder mit Hunden, die nicht bellen, oder Wächtern, die nicht wachen und nicht auf ihr
Haus achtgeben. Steht auf und erwacht endlich aus euenn Traum. Wahrlich, die Axt
lehnt schon am Baum!

IX

O Gott, gib unseren Herrschern ein, daß sie deine Ehre suchen und nicht nur ihren
Eigennutz. Dann habe ich keine Sorgen mehr. In kürzester Zeit würdest du uns zum
Sieg verhelfen. Dafür loben wir dich ewig. Ich ermahne alle Stände der ganzen Welt
- welchen Rang und welchen Titel sie auch immer haben mögen -, daß sie sich nicht
wie die Schiffsleute verhalten, die sich nicht einigen können und miteinander streiten,
wenn sie mitten auf dem Meer sind - bei Sturm und schwerem Gewitter. Und bevor sie
sich einigen, geht das Schiff unter!

Wer Ohren hat, der passe auf und höre!

Das Schifflein schwankt auf dem Meer. Wenn Christus jetzt nicht selbst wacht, dann
wird es bald um uns Nacht werden. Ihr, die euch Gott nach euenn Stand auserwählt
hat, tragt nun die Verantwortung! Tut, was in eurer Macht steht, damit der Schaden
nicht noch größer wird und Sonne und Mond nicht ganz verschwinden - und Haupt
und Glieder untergehen. Dies alles bereitet mir große Sorge.

Bis zum Ende meines Lebens werde ich noch manchen ennahnen. Und wer an mein
Wort nicht glauben will, dem schenke ich die Narrenkappe.

(Gliederung nach Ulrich Gaiers Vorschlag, in:

Ulrich Gaier: Studien zu Sebastian Brants Narrenschiff. Tübingen 1966. S. 363 - 369)

Interpretation des 99. Kapitels

Ausgangspunkt unserer Deutung soll zunächst die Illustration sein: Der Holzschnitt
des 99. Kapitels ist dreifach gegliedert.

Im Vordergrund links sehen wir einen knienden, barfüßigen Narren, der sich mit der
linken Hand an den kahlen Kopf greift und mit der rechten eine große Narrenkappe
hält. In der rechten Bildhälfte erscheinen der Kaiser und der Papst. Ihre Arme und
Hände weisen einerseits auf den Narren, andererseits ist die rechte Hand des Papstes
mahnend erhoben. Blickkontakt zum Narren haben sie - im Gegensatz zu ihrem
Gefolge - nicht. Zwei Narren am oberen linken Bildrand - leicht über eine Brüstung
gelehnt - scheinen die Szene zu kommentieren.

Der Holzschnitt stellt dem Betrachter viele Fragen:

Ist der Narr komisch oder verzweifelt, ist er dumm oder zur Selbsterkenntnis fähig?
Bittet er um Verzeihuno? Ist er Untertan? Bietet er den hohen Herren ironisch die
Narrenkappe an? Sind etwa diese die eigentlichen Narren und lehnen ihre Verantwortung
ab? Was sagen die Narren im Hintergrund? Was sagt uns der Blick des Kaisers,
der uns in die Augen sieht? Versteckt sich hinter dem Narren vielleicht der Autor

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