Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
56.1994, Heft 1.1994
Seite: 73
(PDF, 32 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1994-01/0075
Sebastian Brant? Das Bild macht neugierig auf das folgende Kapitel - mit seinen 214
Zeilen das längste der Erstausgabe!

Die drei - im Original vor dem Bild stehenden - Anfangszeilen machen bereits das
dichterische Engagement und den beschwörenden Charakter der Aussaae deutlich:

Ich bitt euch, bedenkt, laßt mir!

Brant fordert die Herrschenden zum richtigen Handeln auf. Er selbst schlüpft in die
Rolle des Narren in dem Sinne, daß er fast märtyrerhaft die Sünden der Welt auf sich
nimmt. - in der Nachfolge Christi?

Diese Intensität der Sprache wird in den ersten Zeilen des 99. Kapitels noch
drängender. Leidenschaftlich wird das Thema angestimmt: Vom Verfall des Glaubens.

Brant beginnt das Kapitel nicht wie gewohnt mit

Der ist ein Narr, der.... sondern mit

Wann ich gedenck sümniß/undschand: ein sehr gefühlsbetonter, persönlicher, stark
gegenwartsbezogener Auftakt, der sofort auch die politische Dimension des Kapitels
anspricht. Schuld an der jetzigen Lage sind die fiirsten/lierren/landen/stett.

Auffallend sind Brants entschuldigende Zeilen Verzieh man mir/ob ich schon hab/
Diefiirsten ouch gesetzet har. Während der Autor in anderen Passagen des "Narren-
schiffs" kräftig und schonungslos die Bauern kritisiert, erscheint seine Kritik am
Hochadel vorsichtig und zurückhaltend, - ein weiterer Beleg für Brants konservative
Grundeinstellung, die jede Sozialrevolutionäre Veränderung ablehnt. Die mittelalterliche
Ständeordnung muß erhalten bleiben.

Den zweiten Abschnitt beginnt Brant mit der "historischen Analyse" des gegenwärtigen
Notzustandes der christlichen Kirche. Mit dem harten Konsonanten z unterstreicht
er sprachlich die dramatische Situation: kätzer, zerrissen, zerstört, und führt
diese dem Zuhörer oder Leser durch das Bild des hertten steyns noch deutlicher vor
Auaen.

Die Ketzer hat Brant im 98. Kapitel "Von ausländischen Narren" bereits präzisiert.
Er erwähnt dort die kätzer schul/ Die hatt zu Prag/ den narren stuL Gemeint ist der
tschechische Reformator Jan Hus. der die Gedanken Wyclifs - Autorität des Gewissens
und Kritik am weltlichen Besitz der Kirche - vertreten hat. 100 Jahre vor Luther
hat er beim Konstanzer Konzil 1415 den Widerruf verweigert und wurde deshalb auf
dem Scheiterhaufen verbrannt.

Möglicherw eise spielt Brant mit den Ketzern auch auf all diejenigen an. die im 11.
Jahrhundert für die endgültige Spaltung der christlichen Kirche in die römischkatholische
und die griechisch-katholische verantwortlich waren.

Während Brant die innerkirchliche Kritik mit zwei Zeilen abtut, füllt die Attacke
gegen Mohammed und den Islam 16 Zeilen. Die Expansion des Islams hat für Brant
bedrohliche, endzeitliche Dimensionen. Und so verwundert es nicht, daß er gerade in
diesem Zusammenhang aus der Apokalypse des Johannes zitiert. Dort geht es in den
Anfangskapiteln um Johannnes' göttlichen Auftrag, in den sieben christlichen Gemeinden
(Ephesus. Smyrna. Pergamon. Thyatira. Sardes. Philadelphia und Laodizea)
zu predigen. Am Ende des 15. Jahrhunderts "übernimmt" Sebastian Brant als Dekan
der juristischen Fakultät in Basel dieses Amt des Predigers und Propheten!

73


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1994-01/0075