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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
56.1994, Heft 1.1994
Seite: 84
(PDF, 32 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1994-01/0086
ob der Leser weiß, was Professoren über Hebel denken, sagen oder schreiben. Der
"geneigte Leser" Hebels wird davon eher verunsichert, sein Gefühl und Denken
beirrt.

Hebel und das, was ihm am Herzen liegt - es ist eine ganze Welt - lernt am besten
kennen, wer Hebel liest: seine Gedichte, Geschichten und Briefe. Nicht nur einmal;
dem Kalendermann Hebel kommt man nämlich erst nach und nach auf die Schliche
und merkt, wie tief- und hintergründig ist, was er erzählt, wie allgemeingültig auch
für Menschen in unserer Welt und Zeit.

Das Wetter war, der Rheinländische Hausfreund kannte sich da so gut aus wie seine
bäuerlichen Leser, die längste Zeit des Jahres Anlaß zu Hoffnung und Angst.
Mißernten brachten Mangel, Hungersnot mit Unterernährung und Tod. Heute kümmern
sich die Leute ums Wetter nur, wenn sie ein Stadt- oder Dorffest abhalten oder
in Urlaub fahren wollen. Dank neuer Maschinen, Züchtung ertragreicher Getreidesorten
, längerer Haltbarkeit bei der Lagerung und dank der Chemie mit Dünge- und
Schutzmitteln ist der Mensch nicht mehr so abhängig vom Naturgeschehen, wie er es
jahrhundertelang war. Dafür ist er heute Gefahren ausgesetzt, die es zu Hebels Zeit
nicht gegeben. Gefahren, die der Mensch selbst geschaffen hat: Autos mit Abgasen,
Chemie und Bodendüngung mit Nebenwirkungen auf die Umwelt, Verseuchung des
Wassers und der Meere, Luftverschmutzung, Überbevölkerung, dem Aussterben von
Tieren und Pflanzen...

War die Menschheit einst von Seuchen bedroht - Aussatz, Pest, Tuberkulose und
anderen -, so hat heutzutage die Chemie geholfen, daß an solchen Krankheiten
niemand mehr als Kind oder in jungen Jahren stirbt, daß davon kaum jemand
zeitlebens blind oder verkrüppelt bleibt.

Das mag als Fortschritt gelten. Alles in der Welt hat jedoch zwei Seiten. Auch der
Fortschritt. Dank ihm leben wir in der ständigen Gefahr, von Unglücksfällen
heimgesucht zu werden, die es vor hundert Jahren nicht gegeben hat. Sie können
größere und nachhaltigere Auswirkungen auf unser Leben haben als sie je eine Seuche
gehabt hat. So ist heute jedermann auf allen Straßen des Landes durch Autos
gefährdet, auch wenn er selbst nicht Auto fährt. Ebenso muß er damit rechnen, durch
einen Flugzeugabsturz, ein technisches oder menschliches Versagen in einem Gasoder
Kernkraftwerk, bei gentechnischen Manipulationen oder durch chemische wie
biologische Waffen ums Leben zu kommen, zeitlebens krank oder verkrüppelt zu
werden. Waren einst Nöte und Elend vielfach Folgen natürlichen Geschehens wie
lange Regenzeiten, Kälte, Hagel. Feuer, Mißwuchs, Dürre mit Hungersnot, so sind es
heute Gefahren, die sich die Menschheit in verantwortungs- und rücksichtslosem
Umgang gegenüber der Natur und natürlichen Sittengesetzen selbst geschaffen hat.
Lebensgefährdende Seuchen und Süchte sind die Folge.

Ein Leben frei von Gefahr und Leid gibt es nicht und hat es zu keiner Zeit gegeben.
Die Art der Gefährdung hat seit Hebel freilich andere und weltumspannendere
Formen angenommen. Die Menschheit war noch nie so nahe daran, ihre Umwelt und
sich selbst zu zerstören; die Mittel dazu hat sie bereits in der Hand. Vieles noch ließe
sich aufzählen, was heute anders ist, was die Menschen nicht erwarteten Gefahren

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