http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1994-01/0125
1872 gab sich die Lörracher Sektion den Namen "Sozialdemokratischer Arbeiterverein
". In der zweiten Hälfte der 1870er Jahre konsolidierte sich die Sektion, die
inzwischen der 1875 auf dem Gothaer Vereinigungsparteitag von Sozialdemokratischer
Arbeiterpartei und Allgemeinem Deutschen Arbeiterverein (ADAV) gegründeten
Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SPD) angehörte. 1878 beteiligte
sich die SPD im Wahlkreis Lörrach/Müllheim erstmals an den Reichstass-
wählen und erreichte mit 16,3 Prozent in der Stadt Lörrach ein respektables Ergebnis
, das weit über den 2 Prozent in Baden und den 7.6 Prozent im Reich lag '.
All die Jahre seit 1861 war auch die Verbindung zum Deutschen Arbeiterbildungsverein
in Basel, der sich mittlerweile wieder als Deutscher Arbeiterverein
reorganisiert hatte, nicht abgerissen. Analog zur Entwicklung in Lörrach geriet
auch der Arbeiterverein in den 1870er Jahren immer stärker unter sozialdemokratischen
Einfluß. Dies sollte sich als nützlich erweisen, als das 1878 verabschiedete
Sozialistengesetz die junge SPD einer schweren Belastungsprobe aussetzte. Nach
der Verhängung des Sozialistengesetzes übernahmen die Deutschen Arbeitervereine
in der Schweiz wichtige Funktionen für die SPD. Bereits im Dezember 1878
erhöhte der Deutsche Arbeiterverein in Basel seine Beiträge erheblich, um die
Genossen in Deutschland finanziell zu unterstützen. Im Herbst 1880 bildete sich
die Deutsche Sozialdemokratische Mitgliedschaft in Basel. Damit folgte man ei-
nem Beschluß der ersten Parteikonferenz der SPD unter dem Sozialistengesetz,
die deutschen Sozialdemokraten im Ausland zu organisieren. Am Rande sei er-
wähnt, daß diese Konferenz im August 1880 auf Schloß Wyden in der Schweiz
stattgefunden hatte. Solche Mitgliedschaften entstanden auch in anderen Schweizer
Städten, vor allem in Zürich. Zudem erschien in der Schweiz seit 1879 die von
Eduard Bernstein redigierte Parteizeitung "Sozialdemokrat", die das verbotene
bisherige Zentralorgan "Vorwärts" ersetzte. Von Zürich aus organisierte Julius
Motteier die legendäre "Rote Feldpost", die den "Sozialdemokrat" in den Jahren
1879 bis 1884 vor allem entlang der gesamten badisch-schweizerischen Grenze
ins Deutsche Reich schmuggelte. Dabei kam der Deutschen Sozialdemokratischen
Mitgliedschaft in Basel wegen der Grenzlage der Stadt eine besondere Bedeutung
zu8'.
Neben den Organisationen der deutschen Arbeiter engagierten sich auch die zu
Beginn der 1880er Jahre in verschiedene Gruppen und Grüppchen zersplitterten
schweizerischen Arbeiterorganisationen Basels nach Kräften für ihre in Deutschland
verfolgten Genossen. So arbeitete die Ende 1880 etwa zeitgleich mit der
Deutschen Sozialdemokratischen Mitgliedschaft entstandene Mitgliedschaft Basel
der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz (SPS) eng mit den deutschen Organisationen
in der Stadt zusammen. Allerdings war die SPS zu dieser Zeit noch eine
politisch weitgehend einflußlose Gruppe, die erst mit ihrer Neugründung im Jahre
1888 an Bedeutung gewann. Ebenso verzeichnete auch die Basler Arbeiterbewegung
erst Mitte der 1880er Jahre einen langsamen Aufschwung, wobei reformorientierte
Pragmatiker aus den Reihen des Grütlivereins maßgeblich die Entwick-
lung beeinflußten. Ihr führender Kopf war Eugen Wullschleger. Präsident des am
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