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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
56.1994, Heft 2.1994
Seite: 181
(PDF, 60 MB)
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Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1994-02/0183
Das Regionale gewinnt jetzt eine besondere Bedeutung, so daß der Kulturhistoriker
Wilhelm Heinrich Riehl damals "vom fröhlichen Heimatbewußtsein der deutschen
Stämme" sprechen konnte. Und es ist auch nicht zufällig, daß 1841 der "Baedeker"
erschien, der ja Führer durch diese Stämme sein will.

Diese Entwicklung hat Johann Peter Hebel vorweggenommen, denn seine rund 30
Jahre vor Beginn der realistischen deutschsprachigen Dichtung veröffentlichten
"Alemannischen Gedichte" bewegen sich alle in einem kleinen Raum, in seiner
Oberländer Heimat. In ihnen herrscht das vor, was Goethe "Erdgefühl" genannt hat,
also Bindung an die Heimat und ihre Menschen.

Im Oberland sind auch größtenteils die Gestalten von Hebels Kalendergeschichten
zu Hause. Und obwohl ihm auf dem Sand der Hardt bei Karlsruhe die Heimat, "wo
jeder Vogel oberländisch pfeift", wie ein verlorenes Paradies vorkommt, sind auch
diese Gestalten in keiner Weise verklärt, sondern sanz realistisch gesehen. Die
Handlung ist auch oft örtlich und zeitlich genau festgelegt. So heißt es zum Beispiel
in der Erzählung "Eine sonderbare Wirtszeche": "Dies ist geschehen im Jahre 1805
am 17. April im Wirtshause zu Segringen".

Somit ist Hebel inmitten der romantischen Epoche ein Dichter, der seine Heimat
und ihre Menschen realistisch darstellt, wobei er in seinen Gedichten - ganz im Sinne
des "Poetischen Realismus" - die Wirklichkeit "lyrisch durchglüht", wie Andreas
Heusler in seiner Freiburger Rede von 1937 zu Recht gesagt hat2'.

Ich möchte nun am Beispiel der großen realistischen Dichter der deutschsprachigen
Literatur des 19. Jahrhunderts aufzuzeigen versuchen, welche bedeutsame Rolle
Heimat. Stamm und Landschaft in ihren Werken spielen. Dabei beschränke ich mich
aus zeitlichen Gründen fast ausschließlich auf Jeremias Gotthelf. Gottfried Keller,
Annette von Droste-Hülshoff. Adalbert Stifter und Theodor Storm. Diese decken
auch geographisch ungefähr den deutschen Sprachraum ab und sind außerdem
thematisch von beispielhafter Aussagekraft.

Der 1797 in Murten geborene und in Utzenstorf - mitten im bernischen Bauernland
- aufgewachsene Albert Bitzius. welcher sich als Schriftsteller Jeremias Gotthelf
nannte, ist wohl der einzige, der bewußt in Hebels Fußstapfen trat. Von Hebel hat
Goethe durchaus positiv gemeint, daß er das Universum verbauere, und von Gotthelf
hat man gesagt, daß er das Bauerntum universalisiere. Tatsächlich beschränkt sich der
spätere Pfarrer von Lützelflüh fast ausnahmslos auf das Bauerntum, "diesen so
hochgestellten und ehrenwerten Stand", der gottgewollt ist. Das Emmental. die
Hochburg des bernischen Bauerntums, ist seine Welt, und diese stellt er so großartig
dar. daß der schon erwähnte Kulturhistoriker Riehl vom "Shakespeare als Dorfpfarrer
im Kanton Bern" sprechen konnte. Die Emmentaler Bauern kehren in seinen kleinen
und großen Erzählungen immer wieder, und ihre Dialoge sind nicht selten mundartlich
gefärbt.

"Die Wassernot im Emmental" ist eine Art Huldigung an diese Landschaft, für die
der Fluß oft schicksalhafte Bedeutung gewinnt. In dem Roman "Uli der Knecht" wird
zum ersten Mal in der deutschen Literatur der menschlich-sittliche Aufstieg eines
Geringsten aus dem Volk dichterisch dargestellt.

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