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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
56.1994, Heft 2.1994
Seite: 184
(PDF, 60 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1994-02/0186
Worte aus der Besprechung der Volksliedersammlung "Des Knaben Wunderhorn" mit
voller Berechtigung anwenden: "Das lebhafte poetische Anschauen eines beschränkten
Zustandes erhebt ein Einzelnes zum zwar begrenzten, doch unumschränkten All. so daß
wir im kleinen Räume die ganze Welt zu sehen glauben"5|.

Ich möchte nun im folgenden Hebels Verbundensein mit aller Kreatur kurz
darstellen und anschließend Parallelen zu den Realisten aufzeigen.

Schon Goethe hat in seiner Besprechung der "Alemannischen Gedichte6'" festgestellt
, daß Hebel neben den Menschen eine gleiche Nähe zu Pflanzen und Tieren fühle.
Dabei erwähnte er im Hinblick auf die Tiere besonders die Gedichte "Der Käfer".
"Das Spinnlein" und "Der Storch".

Diese Haltung kam Goethes Naturschau entgegen, denn in seiner "Morphologie"
denkt er sich "das abgeschlossene Tier als eine kleine Welt, die um ihrer selbst willen
und durch sich selbst da ist"7). Für ihn herrscht in der Natur eine gottgewollte
Steigerung vom Urtierchen bis zum Menschen. Und als er auf seiner italienischen
Reise 1786 am Strand bei Venedig einige kleine Seetiere gesehen hatte, stellt er
entzückt fest: "Was ist doch ein Lebendiges für ein köstliches herrliches Ding! Wie
abgemessen in seinem Zustande, wie wahr, wie seiend!"11 Diese Naturschau Goethes
ähnelt derjenigen Herders, die er in der Vorrede zu den "Ideen zur Philosophie der
Geschichte der Menschheit" dargelegt hat. Danach hat Gott in der Welt das Wesen der
Dinse so eingerichtet, "daß vom großen Weltsebäude bis zum Staubkorn, von der
Kraft, die Erden und Sonnen hält, bis zum Faden eines Spinnengewebes nur Eine
Weisheit. Güte und Macht herrschet"9).

Diese Vorstellungen Goethes und Herders kehren dann bei Jean Paul wieder. So
heißt es in "Dämmerungen für Deutschland" im 1. Kapitel, das den Titel "Über den
Gott in der Geschichte und im Leben" trägt: "Und wo gäb' es denn im All etwas ächt
Kleines? Ist etwan die niedrigste Mücke schlechter, unbestimmter ausgeführt mit
Augen und Adern als der höchste Mensch? "10)

Eine ähnliche Auffassung vertritt Johann Peter Hebel in seinem Aufsatz "Auferstehung
", wenn er schreibt: "Jedes Geschöpf der Erde hat. wie es der Weisheit des
Schöpfers angemessen ist. gerade die Einrichtung seiner Maschine erhalten, die zu
dem Endzwecke, warum es lebt, erforderlich war" "'.

In seiner "Betrachtung über ein Vogelnest" stellt er dann fest: "Jedes Vogelnest ist ganz
vollkommen und ohne Tadel. Nicht zu groß und nicht zu klein, nicht zuwenig daran und
nicht zuviel, dauerhaft für den Zweck, wozu es da ist. In der ganzen Natur ist kein Lehrpietz
, lauter Meisterstücke". Und Hebel fährt fort, daß "der ewige Schöpfer an seinem Ort
jedem... Geschöpf seine Wohnung bereitet, aber nicht alle auf gleiche Art. dem einen so.
dem andern änderst, wie es nach seinem Zwecke und Bedürfnis recht ist..."12).

Diese "Betrachtung über ein Vogelnest" wird bei Hebel somit zu einer Darstellung der
göttlichen Ordnung, in der jedes Lebewesen seine ihm vom Schöpfer zugewiesene
Funktion erfüllt, wozu auch gehört, daß die Fliege der Spinne als Nahrung dienen muß.

Hebel besaß auch persönlich ein enges Verhältnis zu Tieren. So berichtet er am
7. August 1807 Gustave Fecht aus Anlaß eines zugelaufenen Kätzchens: "Dis ist das
sechste lebendige Thier, das ich in meinem Leben hatte. Zuerst einen Igel in meiner

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