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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
56.1994, Heft 2.1994
Seite: 207
(PDF, 60 MB)
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"Atta unsar thu in himinam". So wundert es uns nicht, daß der Hebelillustrator Julius
Nisle zu seinem Bild der Eingangsszene schreibt: "der Aetti präsidirt: eine durchaus
würdige Gestalt, der wir etwas Königlich=patriarchalisches (- wir könnten ergänzen: fast
Göttliches-) nicht abläugnen können." Spätere Illustratoren wie z.B. Ludwig Richter
haben diese Szene weniger hierarchisch geordnet, dafür natürlich-bewegter dargestellt.

Möslicherweise hat Hebel für die Ausarbeitung des Gedichtbesinns auch auf
Johann Heinrich Voss' "Idyllen" (erschienen 1801) zurückgegriffen. Am Anfang der
16. Idylle "Der siebzigste Geburtstag" wird - ebenfalls in Hexametern - eine
Vaterfisur im Kreis der Familie folsendermaßen einseführt:

— CT CT

"Auf die Postille gebückt, zur Seite des wärmenden Ofens. / Saß der redliche Tamm
in dem Lehnstuhl, welcher mit Schnizwerk, / Und braunnarbigem Jucht voll schwellender
Haare, geziert war: / Tamm, seit vierzig Jahren in Stolp, dem gesegneten
Freidorf. / Organist. Schulmeister zugleich, und ehrsamer Küster: / Der fast allen im
Dorf, bis auf wenise Greise der Vorzeit. / Einst Taufwasser sereicht. und Sitte seiehrt
und Erkenntnis. / (...) Oft nun faltend die Händ'. und oft mit lauterem Murmeln, / Las
er die tröstenden Sprüch' und Ermahnungen."

Wie bei Hebel ist dieser Mann allwissender, gottähnlicher Vater, in der Ordnung
der Familie und des Dorfes fest verankerte Instanz. Die Kinder im Voss-Idyll senden
zur Geburtstagsfeier dem geliebten Vater "Edlen Toback mit der Fracht und stärkende
Weine." Und auch das Motiv der spinnenden Frauen könnte Hebel von Voss
übernommen haben. Bei ihm lesen wir von Marie, daß sie" (...) gehaspeltes Garn von
der Wind' abspulte zum Weben."

Durch welche Quellen auch immer sich Hebel inspirieren ließ, in den Anfangszeilen
sestaltet er eine Szene, die den Erzählvorsans bewußt inszeniert und in die
unmittelbare Gegenw art des Lesers führt. Fast zeitlupenhaft werden die Vorbereitungen
des Erzählens geschildert. Und auch das erlösende "Se willi denn näumis
verzehle " (Z. 15) wird noch einmal w egen diverser Ermahnungen hinausgezögert, bis
der Vater (bzw. Hebel) die Überleitung zur "Binnenerzählung" mit Hilfe des Karfunkel
-Motivs herstellt:" "Ischs derz'wohl, und g'lustt's di wieder no nem Carfimkel? /
Numtne ken. wie seile gsi isch, woni im Sinn ha. " (Z. 19 f)

Aus der Gegenw art der geschlossenen und geordneten, warmen und hellen Bauernstube
führt uns der Erzähler in eine andere Gegenwart und an einen anderen, unkultivierten
und un-zivilisierten, ganz und gar un-idyllischen Ort: " 's isch e Plätzli
näume, 's goht weder Ege no Pflug druf, /Hurst an Hurst scho hundert Johrundgiftigi
Chrüter, / 's singt kei Trostle drinn, ke Summenögeli bsuecht sie." (Z. 21 ff.)

Expressionistisch-grauenhaft mutet die folgende Zeile an: "breiti Dosche hiiete
dort e zeichnete Chörper" (Z. 24). Erst dann führt der Erzähler die Hauptfigur in
dieses schauerliche Ambiente ein. Dabei tastet er sich an die Wirklichkeit von dessen
sündiger Biographie langsam heran: " 's war ke imgschickt Bürschli gsi, sei seit me,
doch het er/ zitli 's Wirtshus g'liebt, und über Bibel und Gsangbuch/sin em d' Charte
gsi am Samstig z' Nacht und am Sunntig. /Flueche het erchönne. ne Hex im rueßige
Chemi /hätt si bsegnet und bettet, und d' Sternen am Himmel hen zittert" (Z. 25 ff.).
Damit ist die Überleitung zur eigentlichen Geschichte abgeschlossen.

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