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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
56.1994, Heft 2.1994
Seite: 221
(PDF, 60 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1994-02/0223
/ In dar schlaeschen Weise, hätt's nich alemansche Gerichte!-" So können wir also
auch Holteis Gedicht "A wil's nich gehat han!" in die Wirkungsgeschichte von
Hebels "Carfunkel" einordnen.

Wagen wir den Sprung ins 20. Jahrhundert, ins Jahr 1994! Ab Januar wurde im
Zweiten Deutschen Fernsehen eine neue Folge der Kinderfilmreihe KARFUNKEL
ausgestrahlt, die von interkulturellen Freundschaften in der Erfahrungswelt von
Kindern erzählt. In einem freundlichen Schreiben des ZDF vom 13.1.94 wurde mir
zur Namensgebung der Sendereihe Interessantes mitgeteilt:

"Das Team hat sehr lange gesucht, und es standen am Schluß etwa 30 mögliche
Titel zur Auswahl. Darunter auch KARFUNKEL. Der Hintergrund dazu ist, daß
Karfunkel einerseits ein Edelstein ist. der in kostbaren Farben leuchtet: andererseits
ist Karfunkel ein mythischer Begriff aus früheren Märchen und Erzählungen. Damit
ist etwas Kostbares. Vielfarbiges gemeint. Das steht in unserer Interpretation für die
Vielfarbigkeit und den Reichtum der vielen Kulturen dieser Welt. Verbunden mit
dem Weltkugelbild im Vorspann bedeutet es auch, daß unsere Welt einem kostbaren
Stein vergleichbar ist. der geliebt, uns wert und gehütet sein muß. Diese Interpretation
führte also zur Entscheidung. Wir haben im übrigen Kindern den Namen
vorgelegt und sie gefragt, welche Assoziationen er bei ihnen auslöst. Interessant war,
daß nur noch Kinder, die auf die Waldorfschule gingen, das Wort "Karfunkel"
kannten. Den anderen Kindern war es fremd. Aber die Assoziationen, die das Wort
"Karfunkel" in ihnen auslöste, entsprachen absolut dem mythischen Begriff: Etwas
Kostbares. Leuchtendes, ein Zauberstein, etwas, was es im Weltall gibt usw. Das
würde die These stärken, daß es möglicherweise ein unterbewußtes Gemeingut von
Begriffen und Mythensprache gibt."

Dieser Brief kann als ein Dokument für Sprachentwicklung gelesen werden. In
ihm kommt die negative, bedrohliche Bedeutung des Karfunkel-Motivs (Krankheit.
Ausschlag. Teufelswerk) nicht vor. auch nicht als Faust-II-Bedeutung von der
ungeheuren Schöpferkraft des naturwissenschaftlich forschenden Menschen. Vielmehr
knüpft diese "moderne" Wortbedeutung an die romantische Bedeutungstradition
an. wie wir sie für den Karfunkelstein beispielsweise bei Novalis und Hesse (in
seinem Märchen "Piktors Verwandlungen" von 1922) nachlesen können: der Karfunkelstein
als Symbol der Vielfarbigkeit unserer "multikulturellen" Welt.

Blicken wir von 1994 zurück auf Hebels Gedicht aus dem Jahre 1803, dann lesen
wir dieses alemannische Dialekt-Gedicht ganz bestimmt nicht mehr unter dem
Aspekt enger, heimattümelnder Idyllik. sondern als ein Gedicht, das mit seiner
Sprache eine (aber eben nur eine) Sprach- und Kulturfacette zum Glänzen bringt.
In diesem Sinn verstehe ich auch den Brief Hebels vom 22. Februar 1803 an Friedrich
David Gräter. in dem er die Bedeutung der Mundart einschränkt und hofft, "daß die
Einheit der deutschen Sprache, die uns fast allein noch als eine Nation zusammenbindet
und charakterisiert, durch eine zu eifrige Provinzial Cultur der Dialekte nie
möge gefährdet werden. Was könnte der Nation zu allen politischen Schicksalen, die
sie bis in die neuesten Tage erfahren mußte, noch schlimmeres begegnen?"

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