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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
56.1994, Heft 2.1994
Seite: 317
(PDF, 60 MB)
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worden, zuerst wohl bei den Leuten in der Stadt, dann auch auf dem Land.

Der sehr auf sparsames Wirtschaften der markgräflichen Untertanen bedachte Vogt
Wallbrunn äußerte sich ebenfalls zur Kleider-Tracht von Weibs-Leuten zu Schöpfen
und Lörrach und ließ sich über die schädliche Kleider-Tracht als das Spickel-Rock
... von denen Weibs-Leuten hieroben aus. Ganz im Sinne der Aufklärung, des
vernünftigen und alles Überflüssige vermeidenden Handelns, bemängelte er, daß
man aus einem solchen Spickel-Rock nicht einmal mehr ein paar Strumpf besohlen
könne. Der Rock war demnach aus mehr oder weniger schmalen, keilförmigen301
Streifen zusammengesetzt, so daß er sich für eine weitere Verwendung nicht mehr
eignete, wenn er abgetragen war. Die Stadtleute seien längst an eine andere und
nützlichere Tracht31' gewohnt, so daß man die Dorfbew ohner davon abbringen könne.
Wallbrunn wünschte, daß kein Schneider in diesen zweyen Orten [Schopfheim und
Lörrach] andere als Falten-Röck und Wämstlein verfertigen solle ?:'. Die bisher
üblichen Zwickelröcke, wie es richtig heißen muß. und Ärmel sollten also künftig
nicht mehr angefertigt werden.

Er rechnete offenbar nicht mit dem hartnäckigen Widerstand der rund 50 Zünftigen
und Meister des Schneiderhandwerks in Schopfheim, die sich in einem Brief an den
Markgrafen wandten (siehe Kopie). Sie gaben zu bedenken, daß es bei denen hiesigen
Weibsbildern und sonderheitlich bei denen betagten so schwehr hergehet, solcherlei
neu modische Kleider [Faltenröcke und Wämstlein anstelle von Zwickelröcken und
sog. Armein] zu tragen, als eine andere Religion anzunehmen, und dahero zum
Schaden der hiesigen Schneidenneistere viele Ausschweifiingen zu Verfertigung der
alt modischen Kleider verübt werden.

Modisch gesinnt waren demnach die Bäuerinnen (noch) nicht, sie hingen an der
überkommenen Tradition - und die Schneider ebenfalls. Erstaunlich ist, daß die
Religion, welche eng mit dem Brauchtum und dadurch der Kleidertracht verknüpft
ist, hier eine so untergeordnete Position einnimmt, während sich in Hebels Gedicht
„Die Wiese" der personifizierte lutherische Ruß sogar fürchtet, am katholischen
Stetten vorbeizufließen 5"':

Un sihsch dort 's Stettemer Wirtshuus?
Worum wirsch so still und magsch nit dure go luege?
Gell, de sihsch seil hailig Chrütz vo wytem un trausch nit,
möchtisch lieber zruck as fiirsi! Laß der nit gruuse!

Die Schopfheimer schlagen nun dem Markgrafen untertänigst vor, die Kleiderverordnung
insoweit abzuändern, daß zwar solche bei den Kindern bis auf die Commu-
nicabilesu'eingefiihrt und damit fortgefahren werden solle, diejenigen aber, welche
dato schon zum Heiligen Abendmahl gegangen sind, in ihren gewöhnlichen Kleidern
zu gehen ermächtigt sein sollten. Mit der Zeit würde dann der heilsame Zweck dieser
Kleiderordnung schon erreicht werden, sie selbst aber von vielen Gemüthsunruhen,
Unordnungen und Strafen verschont bleiben.

Alles Jammern half nichts: Am 20. Juli 1765 erfolgte der Bescheid, daß es bei dem
Verbot bleibe und die schädliche Tracht derer Weiber-Spickelröcke und Ermel
abgeschafft werden müsse. Es ist anzunehmen, daß es trotz der hohen Strafe von vier

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