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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
56.1994, Heft 2.1994
Seite: 331
(PDF, 60 MB)
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worden, eine Annahme, die obigen Ausführungen zu ..Kleidung und Tracht" allerdings
widerspricht. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstanden die ersten Trachtenvereine
, die jedoch nicht von Bauern, sondern von Honoratioren und Städtern
gegründet wurden6*. Diese Sehnsucht der Städter für alles Ländliche hatte Johann
Peter Hebel fast ein Jahrhundert früher schon empfunden69'.

Drum merke sie's [die Städter] selber schier,
un chömme zuem Pläsier
Ufs Land, un holen e frische Muet...

Anläßlich einer Landwirtschaftsausstellung wurde 1895 in Freiburg ein Festzug
oberbadischer Volkstrachten arrangiert. Im gleichen Jahr begann eine Fragebogenaktion
zur ..Sammlung der volkstümlichen Überlieferungen in Baden". Sitten und Bräuche.
Volkslieder und Sagen. Speisegewohnheiten und Volkstracht sowie vieles andere
wurden dabei festgehalten. Diesen mehr oder weniger ausführlichen Angaben von
Lehrern und Pfarrern badischer Dörfer kann man beispielsweise entnehmen, daß in
Hauingen Band- und Hörnerkappen, sonst Landestracht getragen wurde, in Laufen.
Gallenweiler und Maulburg die Markgräflertracht. ebenso in Efringen. wo die Tracht aus
Kappe. Halstuch und Faskleid (?) besteht ". Einen Sonderfall stellt Ballrechten-
Dottingen dar. das zwar zum Markgräflerland gehört, aber katholisch geblieben war.
Dort seien nur noch einige alte Frauen dieser so schönen Tracht treu geblieben... Die
MarkgräflerTrachtwirdjetzt nur noch als Maskenkleid an Fasmacht benützt 1'. Welcher
Abstieg! Die katholischen Bauern wollten sich eben nicht lutherisch chlaide :!

Der Erste Weltkrieg, die Inflation und die Wirtschaftskrise führten zu einem
erneuten Rückgang der Trachten. Viel zu hart waren die Zeiten, viel zu schwer der
Broterwerb, als daß man sich mit der Anschaffung von kostspieligen und aufwendigen
Trachten hätte abgeben können. Erst während des „Dritten Reiches" erlebte die
Tracht eine Renaissance: Wir erkennen w ieder in der deutschen alten Bauernkultur
das Erbe völkischer Sitte undArt73*. Jede Medaille hat zwei Seiten - den Anstrengungen
zur Wiederbelebung der bäuerlichen Kleidung verdanken wir jedenfalls die
damals zahlreich erschienene Literatur zu Aussehen und Verbreitung der einzelnen
Trachten. Zusammen mit den Erkenntnissen aus den oben erwähnten ..Fragebogen"
der Jahrhundertwende können die Trachten vereine daher ihre Aufbauarbeit auf eine
fundierte Wissensbasis stellen. Sie wird ergänzt durch die Sammlungen alter Trachtenkleidung
oder deren Abbildungen in Museen. Zeitschriften und Sammlungen von
Privatleuten. Das vorhandene Material und Schrifttum wird dabei kritisch zu sichten
und auf seinen Wahrheitsgehalt zu prüfen sein. z.B. bei Abhandlungen aus der Zeit
des Nationalsozialismus.

Eine wichtige Aufgabe stellt sich dabei: die Volkstracht zu entmythologisieren, sie
auf den Boden der jeweiligen historischen Gegebenheit zu stellen und sie nicht zu
verklären. Man kann sie auch nicht von der allgemeinen modischen Entwicklung und
Veränderung abkoppeln, denn die ländliche Bevölkerung hat im Lauf der Zeit viele
Innovationen der städtischen Bevölkeruns übernommen, sei es bei Kleidung. Nah-
rung oder Genußmitteln (z.B. Rauchen. Kaffeetrinken). Die Städter übernahmen in
neuester Zeit daseaen Elemente aus dem bäuerlichen Leben durch die Rückkehr zum

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