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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
56.1994, Heft 2.1994
Seite: 337
(PDF, 60 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1994-02/0339
über Bettelfahrten der Kinder und Aberglauben der Alten. Er ärgert sich darüber, daß
die Filialorte sich weigern, ihren Anteil an den Kosten für eine neue Glocke zu
bezahlen. Die Höllsteiner wollen nicht zur Sigristenbesoldung des Lehrers beitragen.
Die Hüsinger bekommen Streit wegen des neuen Schulhauses und der Baufrond. In
Steinen zankt man sich wegen des neuen Ortsgefängnisses, das viel zu groß und zu
teuer sei. Der Pfarrer mußte vermitteln und entscheiden. Nichts geschah ohne sein
Wissen. Er hatte seine Meinung kundzutun bei der Ausbesserung von Feldwegen und
Verhütung von Wasserschäden. Einen großen Teil seiner Zeit mußte er diesen
"weltlichen" Dingen widmen, denn es sab damals schon viel Bürokratie. Über
Maßnahmen gegen das Hochwasser an der Wiese wurde viel geschrieben, doch mit
wenis Erfolg. Pfarrer Herbst notiert: "Bei kleinem Wasser, da man mit geringen
Kosten viel gut machen könnte, darf nichts gemacht werden, weil der Kostenüberschlag
nicht stimmt. Bei hohem Wasser müssen die Mattenbesitzer mit Jammer
zusehen, wie ihre Wiesen ohne Hilfe und Rettung ein Raub des Stromes werden".

CT

Mit dem Vogt, den Stabhaltern und den Ortsrichtern hat er viel zu tun. Es gab
tägliche Besprechungen, und Steinen hatte sozusagen zwei Gemeindestuben: eine auf
dem Rathaus und eine im Pfarrhaus.

Der Pfarrer von Steinen war auch Vertrauensmann für die Landesregierung. Er mußte
Personen und Anträge begutachten und war Berichterstatter über viele Dinge, die die
Regierung wissen wollte. Denn als Pfarrer war er unmittelbarer Beamter der politischen
Regierung. Er zeichnete für die Volkszählung verantwortlich und stellte die Rekrutenliste
auf. Er prüfte, was in der Armenfürsorge geschehen mußte. Die Eltern von
bettelnden Schulkindern wurden ins "Hüsli" gesperrt. Gegen Wirtshausbesitzer und
Faulenzer schritt man ein. und wer auf Dauer nicht arbeiten wollte, wurde nach
Möglichkeit "abgeschoben". Viel Mühe machte dem Pfarrerein Mann aus Höllstein, ein
"Herumtreiber und Übelhauser". der schließlich nach Ungarn zog. Es wurde beschlossen
, daß Frau und Kinder, die der Gemeinde zur Last w aren, dem Mann nachzureisen
hauen, obw ohl Mann und Frau nichts mehr voneinander w issen wollten. Der Landvogt
von Lörrach aber schickte die Familie w ieder zurück nach Steinen. Schließlich wurden
40 Gulden gesammelt, die Frau auf einen Wagen gesetzt, mit ihren Kindern nach Ulm
gefahren und auf ein Donauschiff gesetzt. So war man sie los.

Auch die Schule machte dem Pfarrer viel Arbeit, denn der Lehrer von Steinen war
kränklich und leistete nicht viel. Es ging die Klage um. daß die Kinder nichts lernten.
Da w ar w ieder der Pfarrer gefragt. Auf sein Zureden ertrug man den Lehrer bis zu
seinem baldigen Tod. Der Nachfolger hatte dann w ieder bessere Erfolge. Mittwoch
und Samstagnachmittag w ar "Strickschule", auch für die Buben. Zw ei Jahre nach der
Schulentlassung hatten die Buben noch "Nachtschule", wobei jeder sein Licht
mitzubringen hatte, und die Mädchen "Sonntagsschule". Alle Vierteljahre hielt der
Pfarrer in den vier Schulen seiner Gemeinden Prüfung ab. Jedes Kind bekam dabei
einen Wecken. Der größte Übelstand für die Schule waren die Versäumnisse. Der
Pfarrer fuhr mit aller Strenge drein, und schuldige Eltern wurden ins "Hüsli" gesperrt
oder in den Turm. Der Vorsitzende des Ortsgerichts war der Pfarrer. Für all diese
Dinge brauchte er viel Zeit und Kraft.

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