Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
57.1995, Heft 1.1995
Seite: 100
(PDF, 34 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1995-01/0102
Der volle Orchesterlärm des Revolutionsgeschehens, der Paris erfüllte, war in Deutschland
und in der Schweiz nicht hörbar; es kamen hintereinander gewissermaßen nur
einzelne Instrumentenstimmen oder Melodien durch, zuerst die reine und viele der besten
Geister ergreifende Weise von Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit. Schlimmere
Töne schallten dann in die Schweiz hinüber, als 1792 die Schweizer Garde massakriert
wurde: die Enthauptung Ludwigs XVI. kaum ein halbes Jahr später verbreitete Bestürzung
durch ganz Europa, die mit der jakobinischen terreur zum Entsetzen wurde.
Schweizer und Deutsche, etwa Lavater und Klopstock, sahen die revolutionären Ideale
verraten. Dazu kamen die ersten Gebietserweiterungen im Bereich des oberen Elsaß und
der bursundischen Pforte sowie des von Frankreich annektierten Fürstbistums Basel.
Kein Wunder, daß die mit ihren Nachbarn ökonomisch und familiär eng verbundenen
Bewohner in der Basler Ecke, der Markgrafschaft, im Breisgau und der Ottenau das
revolutionäre Geschehen immer weniger als einen geistigen Prozeß und immer mehr als
eine militärisch-politische Unruhe verstehen mußten.

Die Forschungen und Quellenpublikationen von Heinrich Scheel, Erwin Dittler
sowie Hellmut G. Haasis. dann die Arbeiten von Axel Kuhn über die Debatten um die
Französische Revolution in Deutschland, alles Untersuchungen aus den 60er bis 80er
Jahren unseres Jahrhunderts, zeigen die Tiefe und Breite der republikanischen
Bewegungen in der Südwestecke des Deutschen Reiches. Zahlreiche Figuren, vom
republikanischen Idealisten bis zum kleinen Agenten, werden sichtbar, so etwa Georg
Friedrich List, Karl Fahrländer und sein Bruder Dr. Sebastian Fahrländer. Ernst
Alexander Jägerschmidt, Christoph Hoyer, Georg Kerner. Karl Wilhelm Theremin.
aber auch ihre baslerischen Verbindungsleute wie etwa der Buchdrucker Samuel
Flick, der Handelsmann Lucas Preiswerk und Remigius Frey. Im Zentrum eines
eigentlichen Agentennetzes saß in Basel als Übersetzer und Sekretär des französischen
Gesandten Franyois de Barthelemy der Elsässer Theobald Bacher, einer der
wenigen Duzfreunde des Entwerfers der helvetischen Verfassung. Peter Ochs, in
dessen Holsteinerhof sich Barthelemy selber einquartiert hatte.

Die genannten Forschungen machen klar, daß die Geschichte der republikanischen
Bestrebungen am deutschen Oberrhein nicht verständlich ist. wenn man sie nur in den
jeweiligen lokalen Räumen betrachtet. Das Geschehen war nach allen Seiten grenzüberschreitend
, auch von Baden nach Württemberg hinein.

Auf der Zeitachse stellen sich die verschiedenen, einander teils bedingenden, teils
ergänzenden Vorhaben wie folgt dar: Die französische Volksarmee, deren soldatische
Überlegenheit über fürstliche Truppen Goethe nach der Schlacht von Valmy
noch Jahrzehnte später für aufzeichnungswürdig hielt, stand 1794 von Basel bis
Straßburg noch nicht angriffsbereit, aber sichtbar damit beschäftigt, sich für eine
Rheinüberquerung und einen Einmarsch in Süddeutschland vorzubereiten. Ihr gegenüber
hielten sich auf dem rechtsrheinischen Ufer kaiserliche Truppen, badisches
Militär und die aus vorwiegend aristokratischen Emigranten gebildete Armee Conde
auf, die noch immer hoffte, durch einen Einmarsch in Frankreich die Revolution
rückgängig zu machen - wohl das gründlichste Mißverständnis des revolutionären
Geschehens, dem auch viele schweizerische Aristokraten verfielen.

100


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1995-01/0102