Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
57.1995, Heft 1.1995
Seite: 108
(PDF, 34 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1995-01/0110
Schweiz vorgeschlagen hatte, zog Reitzenstein nach und sprach am 18. April 1806
erstmals von einem „Königreich Helvetien " und lieferte in einer sogar auf Pergament
geschriebenen, für Napoleon bestimmten Fassung die ganze Begründung nach: Der
badische Kurstaat erhalte als Königreich nur dann einen anständigen Platz, wenn er
die entsprechende Ausdehnung und Bevölkerung bekomme, also „la totalite de la
Suisse". Vor sechs Jahrhunderten hätte die Schweiz schon den Vorfahren des
Kurprinzen gehört - gemeint sind die Zähringer -. diese hätten sich dauernden Ruhm
als die Städtegründer von Bern und Freiburg verschafft, hätten Moudon. Yverdon und
Burgdorf vergrößert. Nach allem, was die Schweiz in den letzten zehn Jahren
durchgemacht habe, könne sie nur Glück und Ruhe unter einer erblichen Regierung
finden, denn dann wäre sie - jetzt sind wieder die übergeordneten Interessen
Napoleons angesprochen - auch dem englischen Einfluß entzogen!

Welches waren die Chancen dieses Vorhabens? Von heute aus gesehen, gew iß null.
Aber wir sind in der phantastischen Epoche, einer Art von fast wahnsinnigem
Zwischenspiel, wo nach dem Aufreißen des feudalen Wurzelgrundes für Dynastien
Staaten nicht mehr als Genealogien ihrer Herrscher, sondern als Quadratmeilen mit
Einwohnern darauf und als Haushaltsgrößen (..Frankfurt ist leider allzu verschuldet")
mit Bargeldreserven (etwa dem Berner Staatsschatz) begriffen wurden.

Von Reitzenstein sind im April 1806 verschiedene Formulierungen bekannt. In
seinen ..Reflexions" schreibt er. die Schweiz sollte zum Kurfürstentum (gemeint ist
Baden) geschlagen werden. In einer Depesche an Edelsheim steht zu lesen, er hätte
seine Augen auf die Schweiz geworfen und sie unter dem Titel eines Königreichs
Helvetien verlangt. Talleyrand meinte zwar: nein, die ganze Schweiz, das sei zuviel,
sei unmöglich. Der Erbprinz selber, auserwählter Schwiegersohn des Kaisers, wollte
sich die Pläne Reitzensteins für die Schweiz nicht recht zu eigen machen: Napoleon
fand zunehmend weniger Gefallen an diesem jungen Fürsten und sagte ihm, er sei
„indecrottable". also nicht anständig herauszuputzen. Reitzenstein konnte sich nur an
Stephanie selber halten, die Landkarten zu studieren begonnen hatte. Sie wollte
Konstanz für Baden, das schöne Schloß Meersburg, in dem sich prächtig festen ließ,
sie hatte ihr Auge auch auf Basel und „diesen Teil der Schweiz" geworfen. Sie zählte
knapp 17 Jahre, aber der Kaiser mochte sie. flirtete sogar mit ihr. und Stephanie
versicherte Reitzenstein immer wieder, daß ihr Adoptivvater Großes mit Baden
vorhabe.

Die Entscheidung, die keine war. fiel in der Unterredung Reitzensteins mit
Napoleon vom 25. April 1806. Es ging um die Aufteilung sämtlicher Territorien unter
die fürstlichen Häuser Süddeutschlands. Reitzensteins Politik zielte dahin. Bayern,
Württemberg und Baden auf Kosten der Reichslande und Reichslehen zuerst einmal
annähernd gleichgewichtig werden zu lassen. Die Erw eiterung Badens in die Schweiz
hinein sollte der am Schluß ins Spiel geschmuggelte Joker werden. Napoleons
lächelndes Wort, er wisse wohl, daß einst die Schweiz den Vorfahren des badischen
Hauses angehört habe, schien Reitzenstein zu ermuntern. Historisch war es freilich
unhaltbar, da die Zähringer über schweizerisches Gebiet nur im Sinn eines Reichslehens
, nicht aus eigener Gebietshoheit geherrscht hatten. Mehr als freundliche Andeu-

108


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1995-01/0110