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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
57.1995, Heft 1.1995
Seite: 122
(PDF, 34 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1995-01/0124
tergang gingen wir wieder in die Synagoge zum Abendgottesdienst für den Sabbatausgang
. Hier und zu Hause wurde „Havdala" gemacht, die Zeremonie, die mit
Gewürzgeruch. brennender Kerze und Wein den Abschluß des Sabbats und den
Übergang zur Woche symbolisiert.

Das jüdische Jahr beginnt mit den .Jomtovim". den hohen Feiertagen Rosch
Haschono und Jörn Kippur, Neujahr und Versöhnungstag. An Rosch Haschono
gingen die Männer nüchtern in die Synagoge, und sie hatten ihr ..Sargenes" an. das
sind die weißen Sterbekleider. Auch die Thorarollen hatten weiße Mäntelchen
umhängen. Nach der Thoravorlesung kam dann etwas, auf das ich als Kind immer mit
besonderer Spannung gewartet habe, das Schofarblasen. Meiner Erinnerung nach hat
mein Großvater die verlangten Töne nach Usus ausgerufen, und Emil Heim, der hinter
der Martinskirche in der Staltengasse wohnte, hat sie geblasen.

Was mir noch besonders in Erinnerung geblieben ist, war die große Einladung zum
gemeinsamen Familienfrühstück nach dem Schofarblasen. ein Brauch, von dem ich
woanders nie gehört habe. Bei uns bildete das den einzigen Anlaß im Jahr, wo einmal
die ganze Familie beisammen war. denn mein Onkel Hugo Zivi und Tante Hilde mit
meinen beiden Vettern Wolfsans und Rolf kamen auch dazu. Also, nach dem
Schofarblasen ist ungefähr die halbe Gemeinde nach Hause gegangen zum Frühstük-
ken, die andere Hälfte ging dann, wenn die ersten zurückkamen, denn mindestens ein
Minjan mußte ja immer in der Synagoge bleiben. In dieser Zeit wurde dann ..gelernt",
das heißt, in den Psalmen und anderen heiligen Texten gelesen, bis alle wieder da
waren und das Musafsebet und Kiddusch gesagt werden konnte.

Obwohl Rosch Haschono als zweithöchster Feiertag gilt, durfte man zum Beispiel
Feuer anzünden. Er war also kein unbedingter Rasttag wie der Sabbat oder Jörn
Kippur. Das Abendessen an Rosch Haschono war bei uns wie an den anderen
Feiertagen besonders gut und schön. Es hat aber eine Besonderheit. Beim Kiddusch
wurde nach den Segenssprüchen über Brot und Wein noch ein dritter hinzugefügt. Es
wurde über ein Stück Süßapfel gesprochen, das in Zucker getaucht war. für ein gutes
neues Jahr. Damals gab es noch Süßapfelbäume. Onkel Hugo hatte einen im Garten.

Der nächste große, ja heiligste Feiertag ist dann Jörn Kippur. An diesem Tag ist fast
gar nichts erlaubt, denn er ist der Ruhetag aller Ruhetage, und die jüdische Menschheit
betet um Versöhnung. Auch er ist ein Fasttag. Deshalb wurde bei uns am Vorabend
noch ein festliches Abendessen serviert, mit Dessert und schwarzem Kaffee, für die
Herren wohl auch mal ein Kirschwasser, so daß man auch gut fasten konnte, denn vor
dem nächsten Abend gab es weder zu Essen noch zu Trinken.

Nun, insbesondere an Jörn Kippur wurde von allen Männern Sargenes getragen, oft
auch von den Frauen, sofern sie in der Synagoge waren und oben auf der Galerie
saßen. Der Abendgottesdienst fing an mit dem Kol Nidre. dem Gebet, mit dem man
Vergebung ersucht für alle Schwüre und Versprechen, die man unwillig oder unter
Zwang gegeben hat. Man blieb dann die ganze Zeit in der Synagoge, ist vielleicht mal
kurz ein bißchen frische Luft schnappen hinausgegangen, und nicht umsonst sagte
man zu Jörn Kippur auch der „Lange Tag". Nur die Frauen waren immer wieder mal
zu Hause, um die Kinder zu betreuen und zu versorgen, da diese natürlich nicht

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