Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
57.1995, Heft 1.1995
Seite: 132
(PDF, 34 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1995-01/0134
Die Begegnung der Dichterin Kaschnitz mit der Stadt Basel im Nachkriegsjahr
1946 war sehr facettenreich. So habe ich mich - angeregt durch das Basel-Kapitel in
der Kaschnitz-Biographie von Dagmar von Gersdorff von 199221 - auf literarische
Ortssuche in Basel begeben. "Orte" spielten im Leben der in Karlsruhe 1901
geborenen Dichterin immer eine große Rolle. "Orte" nannte sie auch eines ihrer
letzten Werke, die 1973 erschienenen Aufzeichnungen:

"Hier steht, was mir eingefallen ist in den letzten Jahren, nicht der Reihe nach,
vielmehr einmal dies, einmal das, und in eine Ordnung wollte ich es nicht bringen,
obwohl doch das Leben seine Ordnung hat. seine Reihenfolge, seinen Anfang, seine
Mitte und dem Ende zu. Meinen Anfang in der Fächerstadt, der Schnakenstadt, der
Weinbrennerstadt, noch ohne Bewußtsein, aber dies und das habe ich später erfahren,
dies und das hat man mir später erzählt. Von dem Markgrafen Karl, auf der Jagd im
Hardtwald schlafend und aufwachend, von einem Schnakenstich wahrscheinlich, aus
weiß Gott welchen Träumen, hier will ich eine Stadt bauen, meine Stadt. Und erst viel
später habe ich gesehen, was das für eine Stadt war, eine geometrische, eine
klassizistische, eine schöne Ordnung. Kreise und Strahlen, großer Stern. Und später
gesehen habe ich die Pyramide, die lächerlich kleine, und die Rathauspetunien,
rosafarbene, weiße, tiefblaue, eine Fülle" (III. 417)3|.

Diese kleine Karlsruhe-Skizze verrät schon viel von der Wahrnehmungsweise der
Kaschnitz: Orte als Ordnungsmöglichkeiten der eigenen Biographie, über die Zeit
hinweg, eingebunden in deren Topographie und Geschichte, Orte aber auch im Sinn
von Standortbestimmung und Zeichen persönlicher und literarischer Entwicklung.
Zu fünf solchen Orten möchte ich die Leser in Basel führen: zunächst zur Grenze als
konkreten Ort der Staatsgrenze zwischen der Schweiz und Deutschland - nach
Kriegsende fast unüberbrückbar. Die Grenze wird für Marie Luise Kaschnitz aber
auch zum Ort des Nachdenkens über die bürgerliche Nachkriegswelt und die
Begegnung mit dem Basler Diplomaten Carl J. Burckhardt zu einer "Grenz"-
Erfahrung besonderer Art. Der Weg führt uns dann in die Bachlettenstraße 15. Hier
wohnte Marie Luise Kaschnitz' Zweitälteste Schwester Lonja, die wir vor allem als
"literarische Figur" aus der Erzählung "Das dicke Kind" kennen. Der Totentanz-Platz
ist unser dritter Ort. In ihrem Tagebuch notierte Marie Luise Kaschnitz später: "Das
düstere Basel. Totentanz" (TB, 9.-11.8.1966)4'. Hier befanden sich an der Innenmauer
des Kloster-Friedhofs jene berühmten Totentanz-Gemälde aus dem 15. Jahrhundert
, die 1805 mit dem Abriß der Mauer fast vollständig vernichtet wurden. Marie
Luise Kaschnitz war mit diesem Ort in zweifacher Hinsicht verbunden: 1947 erschien
ihr Büchlein "Totentanz und Gedichte zur Zeit". 1970 erhielt sie den Johann Peter
Hebel-Preis, eine Auszeichnung im Gedenken an jenen Dichter, der am Totentanz zu
Basel geboren wurde. Der vierte Ort auf unserem literarischen Kaschnitz-Pfad ist das
Kunstmuseum. Dort begegnete Kaschnitz dem Gemälde "Die Windsbraut" von
Oskar Kokoschka und einigen Werken des französischen Malers Gustave Courbet,
über den sie eine romanhafte Biographie verfaßt hat. Unser Kaschnitz-Pfad endet im
Antikenmuseum. 1925 hatte Marie Luise Freiin von Holzing-Berstett den Archäologen
Dr. Guido Freiherr Kaschnitz von Weinberg geheiratet. Seitdem ließ die Dichte -

132


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1995-01/0134