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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
57.1995, Heft 1.1995
Seite: 138
(PDF, 34 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1995-01/0140
Tod und Vergänglichkeit: Marie Luise Kaschnitz' "Totentanz" und Hebels Gedicht
"Die Vergänglichkeit" "begegnen sich" am Totentanz in Basel - der Geburtsstätte
Hebels. Über Hebels Gedicht "Die Vergänglichkeit" schrieb die Hebel-Preisträgerin
Kaschnitz u.a.: "Zuerst also des Vaters Tod und der Verfall des mit blitzenden Fenstern
auf der Anhöhe erscheinenden Vaterhauses, dann der Untergang der prächtigen Stadt
Basel und schließlich in Gewittern. Erdbeben und Feuersbrünsten das Ende der Welt.
Und wenn es beim Sterben des alten Hauses und des Dorfes noch natürlich hergeht mit
langsamer Verwitterung und Verwesung und Aufgabe der Höfe, so kann doch das Ins-
Grab-Sinken der schönen Fasnacht-Stadt Basel, die am Ende nur mit Turm und
überwachsenen Mauerresten noch aufragt, bei Hebel, der fast zwei Jahrhunderte vor
Brand- und Phosphorbomben gelebt hat. nichts andres sein als reine böse Phantasie. Und
völlig böse und phantastisch ist dann das Weltende, in das der Untergang von Dorf und
Stadt mit schauerlichem Realismus fortgesponnen wird" (VII, 907).

Unser gedanklicher Literaturpfad geht heute von Hebels Geburtshaus am Totentanzplatz
zum Claraspital, wo Wolfgang Borchert am 20. November 1947 starb. Sein
Stück "Draußen vor der Tür" hatte er im Spätherbst 1946 in wenigen Tagen
niedergeschrieben, - ein Totentanz-Stück der unmittelbaren Nachkriegszeit, in dem
sich im Vorspiel ein Beerdigungsunternehmer und ein alter Mann als Gott und der
Tod entpuppen. Der "Gott" gesteht dem "Tod": "Du hast es gut! - Du bist der neue
Gott. An dich glauben sie. Dich lieben sie. Dich fürchten sie. Du bist unumstößlich.
Dich kann keiner leugnen. Keiner lästern. Ja. du hast es gut. Du bist der neue Gott. An
dir kommt keiner vorbei. Du bist der neue Gott. Tod. aber du bist fett geworden. Dich
hab ich doch ganz anders in Erinnerung. Viel magerer, dürrer, knochiger, du bist aber
rund und fett und gut gelaunt. Der alte Tod sah immer so verhungert aus.

Tod: Naja, ich hab in diesem Jahrhundert ein bißchen Fett angesetzt. Das Geschäft
ging gut. Ein Krieg gibt dem andern die Hand. Wie die Fliegen! Wie die Fliegen
kleben die Toten an den Wänden dieses Jahrhunderts. Wie die Fliegen liegen sie steif
und vertrocknet auf der Fensterbank der Zeit"9|.

Ort 4: Das Kunstmuseum

"Museum. Parkett, Stille. Schritte der Wächter, leere Räume: Kokoschka. Die
Windsbraut. Picasso. Klee. Die neuesten Bilder tapetenartig, nicht mehr märchenhaft
-magisch. Ein Stilleben von Courbet" (TB, 12.8.46).

Die Begegnung mit Kokoschkas "Windsbraut" (entstanden 1913/14) im Basler
Kunstmuseum war für Marie Luise Kaschnitz bedeutungsvoll. Kokoschka hatte in
diesem Bild seine eigene Liebesbeziehung zu Alma Mahler, der Witwe Gustav
Mahlers, psychologisch feinfühlig dargestellt. In der endgültigen Fassung des Werkes
deutete Kokoschka bereits das schmerzliche Ende dieser Beziehung an: "Er stellt
sich selbst gespannt wachend, mit weit geöffneten, in die Leere starrenden Augen dar:
er zeigt sich als innerlich Einsamen, dem seine Isolation bewusst ist trotz der
physischen Nähe zu Alma Mahler, die sich im Schlaf vertrauensvoll an ihn schmiegt.

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