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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
57.1995, Heft 2.1995
Seite: 35
(PDF, 32 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1995-02/0037
Dieser Bunker war als Teil der befestigten Grenze entlang des Rheins von
deutschen Soldaten gegen den französischen Erzfeind gebaut worden. Nach der
Sprengung im vergangenen Jahr sollte er in deutschem Auftrag als Bauschutt auf
einer Müllkippe in Frankreich entsorgt werden. Das Museum als Anstalt zur Entlastung
der grenzüberschreitenden Müllentsorgung?

Der Westwall ist weg. Die Grenze - wenn auch zurückgebildet und nicht mehr
befestigt - ist gebheben: im Kopf, in der Sprache, in der Erinnerung. Davon
handeln diese Trümmer, davon handelt diese Ausstellung.

Es wäre ein illusorisches Unterfangen, die Vergangenheit umfassend konservieren
zu wollen. Es geht immer um Teile, um Ausschnitte, um bestimmte Perspektiven.
Und vor dem Hintergrund aktueller Kriege und aktueller ethnischer Konflikte - auch
in Europa - gewinnen Teile, Ausschnitte, Perspektiven und Fragen an Brisanz, von
deren wiederkehrender Aktualität noch vor wenigen Jahren niemand etwas geahnt
hat. Auch wenn es nicht ausgesprochen wird, für den Umgang mit Geschichte gilt:
wir stellen als Zeitgenossen die Fragen und besiedeln die Vergangenheit mit dem
Personal und den Konfliktszenarien unserer gegenwärtigen Welt.

Die Museumsleute verbinden mit den Bunkerteilen vor ihrer Haustür eine - vielleicht
verwegene - Hoffnung: diejenige nämlich, das in diesen Trümmern eingekapselte
Leben ließe sich erinnernd entschlüsseln; als 'sinnvolle' Botschaft der Vergangenheit
entreißen, damit auf unseren nebhgen Weg in die Zukunft ein kleines erhellendes
Lichtlein falle und wir ein paar hilfreiche Anhaltspunkte gewännen oder vielleicht
auch nur - wie es der unvergeßliche Walter Benjamin einmal formulierte -
damit diese Seiten des großen Geschichtsbuches auch den einsamen Leser in die
Lage versetzten, 'sein fröstelndes Leben an einem Tod, von dem er liest, zu wärmen'.

Stochern wir also mit dieser Hoffnung in den Trümmern. Stochern und fragen
wir als Nachgeborene:

Wie wurden nach dem 2. Weltkrieg aus Feinden wieder Freunde? Wie gelang
es. die Werte einer friedfertigen, pluralistischen, freiheitsliebenden und konfliktfreudigen
Gesellschaft an die Stelle eines nationalistisch-rassistischen Staates zu
setzen, der als Mördergrube endete? Wie gelang es. Grenzen wieder zu öffnen,
die Nachbarn. Familien. Ethnien. Völker für mehr als ein Jahrzehnt trennten?

Welche Rolle spielten Kunst und Kultur in einer Zeit, die von großer Armut,
elementaren Alltagsproblemen und dem Mangel an Nahrung. Wohnung und Heizung
geprägt war. in der all das. was im materiellen Sinne lebensnotwendig ist,
nur mit größtem Aufwand und größter Anstrengung beschafft werden konnte?
Wie sah es aus mit dem Bedürfnis nach geistiger Nahrung, das in den Jahren des
Faschismus im Kriegs- und Propagandalärm erstarrt und verkümmert oder mit den
vielen Emigranten ins ausländische Exil abgewandert war? Kam erst das große
Fressen und dann die Moral?

Wenn man den Zeitungen und den Zeitzeugen Glauben schenkt, so war es
umgekehrt und die Zeit zwischen Kriegsende und Währungsreform trotz großer
Not geprägt von einem beispiellosen kulturellen Aufbruch. Ausverkaufte Theater-
und Konzertveranstaltungen, vielbesuchte Vorträge und heiß diskutierte Ausstel-

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