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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
57.1995, Heft 2.1995
Seite: 37
(PDF, 32 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1995-02/0039
teuflisch Verführerisches. Wer mit vollem Bauch, aus einer luxuriösen Situation
des Lebens heraus über eine Zeit der Not und des Mangels spricht, läuft Gefahr,
diese Zeit zu verklären, die Härte. Gnadenlosigkeit und Unbarmherzigkeit, mit der
die Geschichte Lebensläufe, Lebensplanungen und Liebesgeschichten zerpflügen
und zerreißen kann, zu unterschätzen.

Die Erinnerung hat etwas Verklärendes: sie ist der Filter, durch den sich unser
Geist mit der Gegenwart verbündet: ein Projektionsfeld für Sehnsüchte, die die
Gegenwart nicht erfüllt. Sie alle kennen die Stichworte: Solidarität, gegenseitige
Hilfe und wahre Liebe: echte Kunst und echtes Kunstinteresse: aufrichtige, weniger
verbogene und manipulierte Lebensläufe. Es ist die Sehnsucht vom einfachen
Leben. Was die Erinnerung unterschlägt: je einfacher es wird, umso härter und
strenger und gewalttätiger wird es auch, desto mehr wird das Leben ein nackter
gewaltsamer Kampf, ein Kampf ums Überleben.

Trotz dieser Einschränkung und zeitgenössischen Brechung versucht unser
Nachkriegsprojekt etwas von der Begeisterung des kulturellen Neuanfangs zu vermitteln
: etwas zu bewahren oder wiederzubeleben von dem Geist, der den kulturellen
Neubeginn möglich machte, hier - und jenseits der Grenze.

Kunst und Kultur - als unsere wichtigsten Mittel der Selbstverständigung, als
Möglichkeiten, über unsere Begrenztheit hinausschauen, unserer Selbstgefälligkeiten
und Zweifel Herr werden, als Wege, einen offenen, neugierigen und lernbereiten
Blick über alle Grenzen hinaus in die Welt und in uns hinein pflegen und
entwickeln zu können. Der erste Leiter des Kulturamtes der Stadt und des Kreises
Lörrach. Rudolf Blaschek. hat dies in einem bemerkenswerten Dokument, seinem
Expose über die Aufgaben des Presse- und Kulturamtes, bereits im Oktober des
Jahres 1945 festgehalten:

"Es muß auch heute und immerdar unsere Aufgabe sein, die Menschen an die
Quellen der Einsicht, der Gemeinsamkeit und der Güte, der gegenseitigen Duldsamkeit
und der Hilfe zu bringen. Die Geschichte der deutschen Städte und Länder
bietet uns viele Beispiele dafür, daß sich aus der Liebe und dem Verständnis
fiir Kunst, Wissenschaft und Literatur, aus der Gegenwehr gegen geistige Bevormundung
, aus dem Außvärtsdrang unterdrückter menschlicher Seelen, sich auch
die politische Haltung zahlreicher Wahlkreise neu gestaltete. Demokratie heißt
auch, sich selbst führen und leiten lernen".

Wir haben uns bemüht, daran mit dieser Ausstellung, mit unserem grenzüberschreitend
vernetzten Kulturprogramm zur Nachkriegszeit anzuknüpfen, ebenso
wie an die Neugründung des Jungen Theaters in Lörrach und an die ersten französischen
Kulturtage im Jahre 1946. Auch sie waren ein kleines multimediales und
internationales Festival mit Ausstellungen. Konzerten. Theateraufführungen, Diskussionen
und Filmen. Wir haben uns bemüht, das im Geiste Schillers - mit einem
gewissen 'Vergnügen an tragischen Gegenständen', und nicht im Gewände von
Büßern und Aposteln der Betroffenheit zu tun. In diesem Sinne wünsche ich
Ihnen, trotz der Schwere des Gegenstands und des Themas doch so manche 'vergnügliche
' Erkenntnis bei der (Wieder-) Begegnung mit der Nachkriegszeit.

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