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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
57.1995, Heft 2.1995
Seite: 48
(PDF, 32 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1995-02/0050
geprägt, - ganz anders jedoch die Inhalte dieses Neubeginns: "Mit einem klassischen
Vortragsabend im Lörracher Stadttheater können wir den Wiederbeginn,
d.h. das Wiederaufleben in unserer Stadt verzeichnen. Der Abend fand unter Mitwirkung
von Margarethe Faas (Staatstheater Berlin) und Sieglinde Weichert
(Schauspielhaus Leipzig) statt, die es verstanden, durch tiefsinniges Einfühlen und
ausdrucksvolle Vortragskunst das Verständnis der Besucher zu den unsterblichen
Werken unserer großen Klassiker neu zu wecken. Wenn die vorgetragenen Werke
Goethes und Schillers auch nur eine kleine Auslese darstellten, so war dieser
Abend doch als ein Aufatmen freien Kulturlebens nach so langer entsagungsreicher
Zeit zu bezeichnen, in dem die schöpferisch geistigen Kräfte unserer Klassikerwerke
ganz ungezwungen auf die zahlreichen Besucher einwirken konnten, so
wie es die notwendige Neuordnung unseres Denkens heute in geistiger und weltanschaulicher
Hinsicht erfordert" (MB, 16.10.45). Eine Woche später trat Margarethe
Faas im evangelischen Gemeindesaal in Zell "in einer eindrucksvollen Feierstunde
" erneut auf, um "Gotteszeugnisse aus alter und neuer Dichtung (...) einer in
lautloser Stille lauschenden, dankbaren Hörerschaft" darzubieten (MB, 27.10.45).

Schon diese wenigen Berichte zeigen eindrucksvoll, daß das Kulturleben in
unserer Region - aber nicht nur hier! - kein wirklicher Neuanfang war: Die
Themen "Nationalsozialismus" und "Krieg" wurden ausgeblendet und noch lange
nicht zur Sprache gebracht. Weder knüpfte man an der demokratischen literarischen
Tradition der Weimarer Republik noch an den liberalen oder gar radikaldemokratischen
Strömungen des 19. Jahrhunderts an. Die deutsche Klassik mit ihren
Ewigkeitswerten wurde in quasireligiöser Ergriffenheit zelebriert und gleichzeitig
die Epoche der nationalsozialistischen Herrschaft als "entsagungsreich" charakterisiert
,- als ob es sich um eine Zeit (selbst gewählter) Askese gehandelt hätte.
Nicht nur für die Rezeption literarischer Werke war diese Grundhaltung in (Süd-)
Deutschland lange Zeit typisch, sondern auch für deren Produktion4'. Vor allem
für die Schriftsteller, die nicht aus Deutschland ausgewandert sind und in der
"inneren Emigration" überlebt haben, trifft diese Beschreibung insgesamt zu.

Zu den berühmtesten Emigranten jedoch zählte Thomas Mann, der Deutschland
1933 verlassen hatte und 1940 nach Kalifornien gezogen war. "Auf Anfrage hat es
Thomas Mann abgelehnt nach Deutschland zurückzukehren. Er wünscht in Amerika
zu verbleiben, nachdem er die USA-Staatsbürgerschaft erworben hat und zwei
seiner Söhne in den Reihen der USA-Armee gekämpft haben" (MB, 6.10.45).
Bereits Thomas Manns Rundfunkbotschaft vom 8. Mai 1945 hatte in Deutschland
eine heftige Diskussion ausgelöst: Mit Bezug auf die Konzentrationslager sagte
Thomas Mann damals: "Der dickwandige Folterkeller, zu dem der Hitlerismus
Deutschland gemacht hat, ist aufgebrochen, und offen liegt unsere Schmach vor
den Augen der Welt. (...) 'Unsere Schmach', deutscher Leser und Hörer! Denn
alles Deutsche, alles was deutsch spricht, deutsch schreibt, auf deutsch gelebt hat,
ist von dieser entehrenden Bloßstellung mitbetroffen. Es war nicht eine kleine
Zahl von Verbrechern, es waren Hunderttausende einer sogenannten deutschen
Elite, Männer, Jungen und entmenschte Weiber, die unter dem Einfluß verrückter

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