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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
57.1995, Heft 2.1995
Seite: 54
(PDF, 32 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1995-02/0056
den der ewigen Heimat zu."I8) Wie stark in der Literatur der Nachkriegszeit das
Wandermotiv religiös gedeutet wurde, wird in den Erzählungen deutlich, die das
Thema des Verlorenen Sohnes 191 aufgriffen. In der Geschichte "An der Dachluke"
(BZ, 19. und 22.2.46) stellt Helene Henze die Geschichte eines jungen Mannes
dar, der nach 10 Jahren zu seiner Mutter zurückkehrt, "voller Sehnsucht, die alte
Schuld an ihr ins Reine zu bringen, ihre Vergebung und ihren Segen zu empfangen
". Doch die Mutter erkennt ihn nicht wieder. "Gab es denn eine Macht, so
unbeteiligt und blind, ihr das zu nehmen, daß ihr verlorener Sohn zu ihr heimkehrte
": eine typische Nachkriegsgeschichte, die in ihrem religiös-tragischen Pathos
persönliche Schicksale völlig losgelöst von politischen Hintergründen als Leidensgeschichte
des Menschen schlechthin darstellt.

In einer Besprechung von Ernst Wiecherts Schauspiel "Der Verlorene Sohn"
(BZ, 24.4.46) wird ebenfalls der religiös-existentielle Aspekt der Geschichte betont
. Die Theaterkritik ist für uns heute deswegen interessant, weil der Rezensent
Rupert Gießler 201 zunächst eine historische Betrachtung des 1933 entstandenen
Stückes vornimmt, Unterschiede zwischen dem ersten und dem zweiten Weltkrieg
andeutet, um dann aber geschichtliche Gesichtspunkte wieder auszublenden: In
"Der Verlorene Sohn" gehe es "gar nicht eigentlich um den Krieg, noch weniger
um eine Bejahung des Krieges als notwendiges Schicksal. Der Krieg ist nur als
Raum für das innere Thema des Stückes gewählt. (...) - wie erlösend klingt dieses
mütterliche Gesetz auch in die harte Gegenwart hinein." "Wandern" und "Heimkehr
" finden wir in Hilde Herrmanns Geschichte "Gang in den Abend" (BZ.
7.5.46) wieder. Dieses Mal ist es nicht der zurückkehrende Sohn, sondern die aus
der Stadt ins abendliche Tal zurückkehrende Frau: "Es ist noch nicht lange her, da
war dieser Gang ein Untertauchen im Dunkel, ein Tappen im Ungewissen; unvertraut
, da mit keinem Sinn zu ergreifen, erhob sich die Erde um einen herum, fremd
und bedrohlich. Heute aber, in der entschwebenden Helle, nimmt sie den Wandernden
an, schwesterlich bergend. (...) Was der Tag verhüllte, indem er enthüllte,
findet nun in sein reines Dasein hinein." Der weihevolle Gang in den Abend und
in die menschenleere Natur hinein zeigt noch einmal, daß solche einsamen Wanderungen
der literarische Versuch einer Antwort auf die gleichgeschalteten "teuflischen
" Massenparaden des Dritten Reiches waren.

"Wandern" als tiefempfundene Lebensform begegnet uns dann noch einmal in
der Buchbesprechung von Franz Schnellers "Brevier einer Landschaft", in der der
Autor zitiert wird: "Wandern in der Heimat ist immer auch Heimwandern zum
Ursprung eigenen Seins" (BZ, 9.5.47).

Neben der barock-religiösen Tradition des Wandermotivs stand für viele Autorinnen
und Autoren nach 1945 die Romantik Pate für die Vorhebe für das Wandern.
Wenig verwundert uns, daß Eichendorffs Gedicht "Frühlingsnacht" in der BZ-Ausgabe
vom 5.4.46 abgedruckt wurde: "Uebern Garten durch die Lüfte/ Hört ich Wandervögel
ziehny Das bedeutet Frühlingsdüfte,/ Unten fängts schon an zu blühn. (...)"

Eine völlis andere Bedeutung hatte die "Wander"-Vokabel für all die, die sie
mit "Auswandern" und "Flucht" in Verbindung brachten. Bereits 1939 hatte Ber-

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