http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1995-02/0060
humanistische Pathos ("Licht zu gewinnen") brachte die nationalsozialistische
Vergangenheit nicht zur Sprache, sondern umschrieb sie metaphorisch als "Finsternis
". Zurecht wurde Hagelstange schon 1946 "in die Reihe der Lyriker Reinhold
Schneider und Bergengruen. ihrer Art und ihrem Geist nicht unverwandt"
(BZ, 22.11.46) eingereiht.
Anders dagegen Hermann Hesse: Seine Lyrik klammerte sich nicht an die formale
Ordnung klassischer Gedichtformen. Für die Waffenstillstandsfeier des Radios
Basel schrieb er: "Aus Haßtraum und Blutrausch/ Erwachend, blind noch und
taub/ Vom Blitz und tödlichen Lärm des Krieges,/ Alles Grauenhaften gewohnt,/
Lassen von ihren Waffen,/ Von ihrem furchtbaren Tagwerk/ Die ermüdeten Krieger
. (...) Wollet! Hoffet! Liebet!/ Und die Erde gehört euch wieder."261 Ein halbes
Jahr später hielt Hesse bei der Mitternachtssendung des schweizerischen Landessenders
Beromünster eine Rede zum Thema Krieg und Friedenssehnsucht, die er
mit den letzten Versen eines Gedichtes schloß, das er "in einer schlaflosen Nacht
(...) unter dem ersten Eindruck der unter Hitler geschehenen Greuel" geschrieben
hatte: "Darum ist uns irrenden Brüdern/ Liebe möglich noch in der Entzweiung,/
Und nicht Richter und Haß,/ Sondern geduldige Liebe/ Liebendes Dulden führt/
Uns dem heiligen Ziele näher" (FN, 11.1.46).
Nach der Verleihung des Literatur-Nobelpreises an Hermann Hesse nahm Rupert
Gießler diese Verszeilen wieder auf und würdigte Hesse als den Dichter, dem
es "immer um den Menschen, um die Bewahrung der Seele in der Massenpsychose
der Zeit" gehe und der "vor dem Größenwahn der Technik und dem Größenwahn des
Nationalismus" gewarnt habe (BZ, 19.11.46). Gießler ging außerdem kurz auf Hesses
Abb. 5: Hermann Hesse 1946
(Deutsches Literaturarchiv Marbach a. N.)
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