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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
57.1995, Heft 2.1995
Seite: 61
(PDF, 32 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1995-02/0063
Anouilhs "Antigone" (BZ. 19.2.46), "Chansons animees" - also unterschiedliche
szenisch dargestellte Lieder - (BZ, 8.3.46), ein Monere-Abend (BZ, 12.4.46) standen
am Anfang des Theaterbetriebs in Südbaden. Die ausführliche Antigone-Be-
sprechung in der Badischen Zeitung würdigte die Aufführung unter dem Gesichtspunkt
der Begegnung mit dem modernen französischen Theater und der Begegnung
mit hochrangigen Schauspielern. Erneut fällt uns heute auf, wie stark die
deutsche Geschichte von 1933 bis 1945 verschwiegen wurde, wie stark man nach
dem "überzeitlichen Sinn" suchte, obwohl der Kritiker die Modernität des Stückes
und den Konflikt Familie-Staat erkannte. Bezeichnend das "Bekenntnis" des Rezensenten
: "Das Problem, wieweit die Tragik im antiken Sinn überhaupt für unser
Zeitalter gültig sein kann, soll hier nicht erörtert werden - es ist durch ein solches
Werk zur Diskussion gestellt" (BZ, 19.2.46). Auf dem Theater als öffentlichem
Forum, nicht in der "privaten" Prosa und Lyrik, wurden zuerst die Fragen nach
Deutschlands unmittelbarer Vergangenheit gestellt und Tabus ansatzweise gebrochen
. Noch wich der südbadische Kritiker der Erörterung im Jahre 46 aus - wie
viele deutsche Intellektuelle in dieser Zeit.

Von recht großer Bedeutung waren im Südbadischen religiöse Schauspiele. Max
Mells "Apostelspiel"30' - heute längst von den Spielplänen verschwunden - wurde
im September 1945 in Freiburg (vgl. FN, 28.9.45) und im März 1946 von der
"Jungen Bühne" in Lörrach als Mysterium aufgeführt. "Unter Verzicht auf jede
Aufmachung legte der Spielleiter den Schwerpunkt des Spieles in die innere Haltung
der Darsteller und führte dadurch den Ablauf des Geschehnisses bis zum
Ahnenlassen eines übersinnlichen Gehalts" (BZ, 8.3.46). Was 1946 als großes
Welttheater gefeiert wurde, können wir heute noch in einem Insel-Bändchen J1,als
teilweise komische Geschichte 321 zweier Halunken nachlesen, die sich als Apostel
Petrus und Johannes ausgeben und so die naive Maria Magdalena - im 20. Jahrhundert
(!) - hinters Licht führen. Was 1946 als mystisches Wunder aufgeführt
wurde, können wir heute nur noch als Komödie verstehen. Am Ostermontag 1946
wurde "den Lörracher Kunstfreunden die letzte Aufführung des vielbeachteten
und mit großem Erfolg aufgeführten Apostelspiels von Max Meli durch die Junge
Bühne geboten" (BZ, 16.4.46).

Noch deutlicher standen die im August 1946 täglich auf dem Freiburger Münsterplatz
aufgeführten Passionsspiele in der mittelalterlich-religiösen Theatertradition
. "Das ergreifendste Moment des Spiels ist die Szenerie der Ruinen des Münsterplatzes
, auf denen die Spielorte in recht geglückter Weise aufgebaut sind",
bemerkte Rupert Gießler in seinem Bericht (BZ, 13.8.46). Dort bezweifelte er aber
auch die Bedeutung dieser Kunstform für die Gegenwart: "Wir leben nicht mehr
im Mittelalter und nicht mehr im Barock". Mit dem Hinweis auf eine neue Erlebnisweise
führte Gießler seine Kritik an der Aufführungspraxis weiter. Die neue
Erlebnisweise lehne die "äußere Schaubarkeit der heiligen Geschichte" zugunsten
des innerlichen Erfassens ab. Nicht das religiöse Thema ist veraltet, sondern die
Darstellungsweise ist zu künstlich und oberflächlich. Noch einmal sehen wir, daß
das Kunstverständnis der unmittelbaren Nachkriegszeit aus der "Lehre" der Propa-

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