Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
57.1995, Heft 2.1995
Seite: 108
(PDF, 32 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1995-02/0110
hatten. Auswirkungen der Inflation, der Weltwirtschaftskrise und später die Benachteiligungen
durch die Nationalsozialisten, die keine kriegswichtige Produktion
in der Grenznähe zu Frankreich dulden wollten und die Konsumgüterindustrie
vernachlässigten, bewirkten dann ein übriges. Dennoch besserten sich - dies wird
oft vergessen - von den 1920er Jahren an die Arbeitsbedingungen.

1919 wurde der Normalarbeitstag auf 8 Stunden, die Woche damit auf 48 Stunden
per Gesetz festgelegt. Welch ein Fortschritt, denkt man daran, daß in der
ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch bis zu 18, im Durchschnitt mindestens 12
bis 14 Stunden - auch von Kindern 22' - gearbeitet worden war. In der hiesigen
Textilindustrie wurde der 12-Stunden-Arbeitstag übrigens erst nach der Jahrhundertwende
eingeführt.

Über Freiwillige Sozialleistungen der Arbeitgeber zugunsten ihrer Betriebsangehörigen
läßt sich einiges sagen. Einrichtungen wie Fabriksparkassen, Krankenkassen
. Pensions- und Unterstützungsfonds, die Zahlung von Dienstaltersprämien
oder die billige Versorgung der Arbeiter in Kantinen und Milchküchen hatten
schon vor der Jahrhundertwende bestanden und gingen weit über die Leistungen
der 1883 eingeführten gesetzlichen Sozialversicherung hinaus. Allerdings brachte
eben jene Freiwilligkeit sehr starke regionale und sektorale Unterschiede mit sich.
Als mustergültig galten übrigens die von der Manufaktur Koechlin, Baumgartner
& Cie. (KBC) in Lörrach erbrachten sozialen Leistungen.

Weitere Bereiche, auf denen Fortschritte erzielt wurden, waren die allgemeinen
Arbeitsbedingungen und auch die Wohnverhältnisse. Eine Erhöhung der Realeinkommen
verhinderte allerdings die Inflation, was u.a. den wohl bedrohlichsten
Arbeitskampf auslöste, den diese Gegend je erlebt hatte, den von der Schusterinsel
ausgehenden Aufstand vom 14. bis zum 24. September 1923. Einen Generalstreik.
Tote und Verletzte brachten diese ungemein brisanten Ereignisse, freilich nicht
den von den kommunistischen Initiatoren beabsichtigten Staatsstreich23'.

Schwere Arbeit, lange Arbeitszeit und ungesunde Verhältnisse in den Fabriksälen
wurden noch lange beklagt. Wegen der Staubentwicklung bei der Baumwollverarbeitung
traten Lungenschäden besonders häufig auf. Wie der Alltag damals
ausgesehen haben mag, soll der nachfolgende Bericht einer Textilarbeiterin von
1928 belegen:

"Meine tägliche Arbeitszeit in Haushalt und Fabrik beträgt 16 bis 18 Stunden.
Unsere Familie zählt fünf erw achsene Köpfe im Alter von 15, 17, 19, 42 und 44
Jahren. Frühmorgens 4.30 ist die Nacht vorbei; dann ist es höchste Zeit, mich
anzukleiden, zu waschen und das Frühstück für die anderen zu besorgen und alle
zu wecken; denn 5.15 Uhr heißt es nach dem Betrieb gehen, da ich 45 Minuten
bestimmt laufen muß. Um 6 Uhr beginnt die Arbeitszeit im Betrieb. Ich arbeite in
einer Tuchfabrik und zwar in der Zwirnerei. Zuspätkommen darf im Betriebe nicht
vorkommen. Wir arbeiten in Schichten von 6 bis 14 Uhr und von 14 bis 22 Uhr.
Arbeite ich in der Vormittagsschicht, so geht von 14 Uhr die häusliche Arbeit an.
Ich muß dann auf dem Wege von der Fabrik bis nach Hause die Einkäufe besorgen
, so daß es dann meistens schon 16 Uhr ist, ehe ich im Heim bin. Hier ange-

108


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1995-02/0110