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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
57.1995, Heft 2.1995
Seite: 131
(PDF, 32 MB)
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Oder das Garn wurde mit einem Haken unterhalb der Schulter an der Oberbekleidung
befestigt. Die einfachste Version war, das Garn beim Stricken in einem
Körbchen am Arm mit sich herumzutragen, wie es häufig auf Abbildungen des
Malers Albert Anker zu sehen ist.

Je nach wirtschaftlichen und familiären Bedingungen war das Stricken Vollzeitoder
Teilzeitberuf. Als Vollzeitberuf übten es Männer wie Frauen aus, dies war
vor allem in den landlosen und landarmen Schichten der Fall. In kleinbäuerlichen
Kreisen wie auch bei den Schäfern traf man es häufig als Nebenerwerb an.

Bedürftige Leute strickten also daheim für gewerbliche Zwecke, um sich mit
den Einnahmen aus dem Gestrickten ihren Lebensunterhalt zu sichern. Aus dem
17. Jahrhundert werden beispielsweise in Basel Johann Brenner-Euler (1638-
1700). Johann Heinrich Gernler-Eglinger (1614-1714) und Johann Preiswerk-
Siegrist (1628-1699) als Strumpfhändler genannt, die wohl als "Verleger" den
Verkauf der Produkte übernommen hattenl0).

Manche Stricker fertigten auch auf eigenes Risiko ihre Produkte, meistens
Strümpfe. Die Rümlanger Strumpfstrickerei (Zürcher Unterland) aus dem 18.
Jahrhundert galt als ein solches protoindustrielles Gewerbe "autonomen Charakters
". Die Stricker gingen selbst hausieren. So fand eine nötige richterliche
Zurechtweisung, die den privaten Verkauf bezeugt, ihren Niederschlag in einem
Urteilsprotokoll vom 22.11.1788: ein Mann wird beschuldigt, daß er
"schon verschieden mahlen, wann Ihn Seine Frau geschikt. Strümpfe zu verkaufen
, nicht eher zurückgekommen seye, bis er das daraus gelöste Geld
versoffen" habe

Ihr Absatzgebiet war aufgrund der eingeschränkten Mobilität enger begrenzt als
das der Verleger. Die Stricker im Zürcher Unterland fertigten ihre Strümpfe insbesondere
für die ländlich-bäuerlichen Schichten aus ihrem Umkreis, deren Grundbedarf
konstanter war als der fremde Markt.

Im Elsaß suchten sich ganze Dörfer durch Stricken zu ernähren: "Autrefois, ä
Adamswiller, tout le monde tricotait: femmes. hommes, enfants, meme le maire de
la localite. car les gens du village etaient pauvres" l2). (Ehemals strickten in
Adamswiller alle Einwohner: Frauen. Männer. Kinder, selbst der Bürgermeister
des Ortes, denn die Menschen in dem Dorf waren arm.)

Aus diesem Zitat geht hervor, daß auch Männer und Kinder zu Stricknadeln
gegriffen haben. Hausindustrielles Stricken spielte auch in der Armenbeschäftigung
eine große Rolle, wie z.B. aus dem württembergischen Schwarzwaldkreis
berichtet wird. Staatliche Behörden, private und halbamtliche bürgerliche Vereine
und Repräsentanten der Kirchen entwickelten zu Beginn des 19. Jahrhunderts
Programme zur Armenbeschäftigung und Arbeitserziehung. Für Kinder wurden
Industrieschulen gegründet, in denen zum Teil auf hausindustrieller Basis Strickwaren
für Verleger erstellt wurden l3). Auch das Eingehen anderer Erwerbszweige,
wie des Bergbaus, oder landwirtschaftliche Gegebenheiten, zum Beispiel die Kartoff
elkrankheit im 19. Jahrhundert, sorgten für das Ansteigen gewerblicher Strik-
ker auf dem Land.

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