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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
57.1995, Heft 2.1995
Seite: 134
(PDF, 32 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1995-02/0136
jungen Männer zugelassen. Doch in der Regel kam zu später Stunde auch die männliche
Dorfjugend an diese Treffen. Zum Teil gingen auch die Mägde in eine andere
Spinnstube als die Bauerntöchter. Nichteheüch schwangere Mädchen waren ganz
ausgeschlossen. Die "Lichtstuben" stellten neben den Kirchweihfesten einen wichtigen
"dörflichen Heiratsmarkt" dar. Es waren auch Stätten, an denen dörfliche Neuigkeiten
ausgetauscht und Volkslieder und Erzählstoffe tradiert wurden. Zu fortgeschrittener
Stunde tanzte man oftmals noch zu Mundharmonikaklängen.
Das Zusammensein können wir uns wie folgt vorstellen:

"Des Abends, wenns draußen dunkel geworden ist und man Abendbrot gegessen
hat, dann findet sich die Dorfjugend je nachdem wie stark vertreten in einer oder in
mehreren Kolonnen zu gemeinsamer Arbeit nach Geschlechtern getrennt, oder auch
Burschen und Mädchen gemeinsam, die ersteren mit ihrem Netzstrickzeug, einem
kleinen Bock, der sehr wenig Platz einnimmt, einer Stricknadel, die jeder aus etwas
hartem Holz mit einem Messer sich leicht anfertigen kann und dem nötigen Garn, -
die Mädchen mit ihren Spinnrädern und dem aufzuspinnenden Flachs zusammen.
Man geht zu jedem daran Beteiligten ... einen Abend, und wenn die Tour um ist, so
fängt man beim ersten wieder an. Ist man zusammengekommen, so setzt man sich im
Kreise um die Hängelampe zurecht, und die Spinnräder setzen sich in ihre surrende
Bewegung, ebenso die Stricknadeln der Burschen lassen ihr leises schrumm,
schrumm hören, und ohne die Arbeit irgendwie außer acht zu lassen, werden vielerlei
schauerliche Räuberpistolen, Spukgeschichten erzählt und auch manche Hexerei geheimnisvoll
erwähnt..."17'.

Diese geselligen Zusammenkünfte gingen nicht immer ohne Ausschreitungen
vonstatten. So gab es im 18. und 19. Jahrhundert kein Kirchenkonventsprotokoll,
das sich nicht mit Lichtstubendelikten auseinanderzusetzen hatte. Zum Teil verbot
die Behörde diese Treffen, was aber sicher nicht immer eingehalten wurde. Denn
trotz der anfallenden Arbeit - und gerade junge Mädchen, die für ihre Aussteuer zu
arbeiten hatten, waren besonders fleißig - bedeuteten Lichtstuben die "kleine Freiheit
". Sie boten neben den Festen die einzige Abwechslung und Zeit zu Geselligkeit
und Muße im strengen Arbeitsalltag. Die textilen Arbeiten waren sicherlich
zugleich Legitimation für das gesellige Zusammenkommen.

In Degerfelden waren solche Spinnstubenabende um 1870 bekannt, wie mir eine
Gewährsperson mitteilte. Ihre Mutter habe davon erzählt, daß sie (vor ihrer Vermählung
) zum Stricken immer in eine andere Stube gegangen sei.

In manchen Orten war das "Z'Liecht gehen" sogar noch in den 60er Jahren
dieses Jahrhunderts üblich. Dies erzählte mir Frau H. vom Kaiserstuhl (heute 40
Jahre), der es als Kind immer gefiel, zusammen mit ihrer Mutter in verschiedene
Häuser und Wohnstuben gehen zu dürfen.

Aber nicht überall war die Fertigkeit des Strickens bekannt. Da die Bäuerinnen
selbst oft wenig Zeit zum Anlernen ihrer Kinder hatten, entstanden vor 1870
zahlreiche Winkelschulen. Es gab kein Dorf, in dem nicht die Frau des Arztes, des
Schullehrers oder zur Not des Pfarrers auf eigene Faust eine sogenannte " Winkelschule
" eröffnete, in welcher das Stricken gelehrt wurde.

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