Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
57.1995, Heft 2.1995
Seite: 137
(PDF, 32 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1995-02/0139
Wer heute zum Georg-Reinhardt-Haus in Schopfheim kommt, sieht schon von
der Straße aus eine Frau strickend am Fenster sitzen. Julchen Blum - ihr Leben als
Dienstmagd ist aus dem Fernsehen bekannt - lebt hier im Altersheim seit 1965
ihren "tätigen Ruhestand". Aufgewachsen im Kinderheim Tüllingen, bekam sie
von der Tochter der Heimleiterin das Stricken beigebracht. Zunächst lernte sie
Strumpfbänder stricken, dann Strümpfe stopfen. Auch Fersen mußte sie häufig
einstricken. Und auch mit 100 Jahren strickt sie leidenschaftlich. Zum Geburtstag
hat sie einen großen Korb Wolle geschenkt bekommen. So hatte sie kaum Zeit für
ein Gespräch. "Ich muß doch arbeiten", sagte sie, als man sie zu einem Diavortrag
holen wollte, und strickte eifrig weiter.

"Drei Wuche han i e mol nit stricke chönne, wo ni chrank gsi bi. Dann hanis
nimmi usghalte." Der Arzt sage wohl, nach einem arbeitsreichen Leben müsse mal
fertig sein mit dem Schaffen, aber weiß der überhaupt, was er sagt? "Me mueß
doch öbbis z'schaffe ha", erklärte sie.

Neben Socken und Strumpfhaltern wurden auch Murmelbeutel und Waschlappen
gestrickt, wie mir eine jetzt 80jährige Frau aus Hauingen erzählte.

Das heute meistgestrickte Objekt - der Pullover - kam erst nach dem zweiten
Weltkrieg in Mode. Vereinzelt wurde er auch schon früher gefertigt. Frau K. aus
Grenzach-Wyhlen berichtete mir, daß ihre Mutter in den 20er/30er Jahren schon
blau-gelbe Pullis gestrickt habe - und zwar immer im Zug auf der Fahrt nach
Lörrach. Ihre Klassenkameradinnen waren immer so gut angezogen, erinnert sie
sich. Finanziell konnte sie sich die teuren Dinge nicht leisten, doch mit den Sachen
, die ihre Mutter selber machte, konnte sie mithalten. Diese waren dann nicht
mehr "so 0-8-15". Der Lauf der Dinge: Heute hat sie keine der alten Strickwaren
mehr: sie sind "unter den Blocker gekommen". Sie meinte damit, ihre alten Pullis
habe sie zum Polieren des Fußbodens verwendet.

Anmerkungen

1) Raith, Michael: Gemeindekunde Riehen, 2. Überarb. und aktualis. Aufl. - Riehen 1988, S. 90

2) Zeitschriften und schriftliche Lebenserinnerungen erlaube ich mir als Zitate mit überregionaler
Gültigkeit anzuführen.

Grundlage des Aufsatzes ist meine Magister-Arbeit "Handstricken. Kultur- und sozialgeschichtliche
Aspekte" im Fach Volkskunde, an der Universität Freiburg i. Br.. Februar 1992

3) Freundliche Mitteilung von Petra Linscheid. Brief vom 28. 7. 1992: Museum für Spätantike und
Byzantinische Kunst. Staatliche Museen zu Berlin. Preußischer Kulturbesitz

4) Die bislang einzige Monographie über die "Geschichte des Handstrickens" hat Richard Rutt, ein
Bischof aus Leicester. herausgegeben: Rutt. Richard: A History of Hand Knitting. - London 1987

5) Freundliche Auskunft von Birgitta Hoffmann M. A., provinzialrömische Archäologie, die ihre
Auskünfte von Robin Birley hat. der seit 1983 an den dortigen Ausgrabungen beteiligt ist.

6) Rutt R.: History of Hand Knitting. S. 23

7) Grimm. Jacob und Wilhelm: Deutsches Wörterbuch. Hrsg. v. d. dt. Akademie der Wissenschaften zu
Berlin. Bd. 10. - Leipzig 1957, Sp. 1575-1580

8) Zedier, Joh. Heinrich: Großes vollständiges Universallexikon. 1732 ff. Bd. 40. - Reprint Graz 1962

9) Gegensatz: ' Anerbenrecht": Vorzugserbrecht des ältesten oder jüngsten Bauemsohnes als einziger
Hof erbe.

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