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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
59.1997, Heft 1.1997
Seite: 125
(PDF, 28 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1997-01/0127
in Arztpraxen diagnostizierte „Erschöpfungszustand aus Unterernährung und
Überarbeitung" betraf vor allem Frauen zwischen 20 und 50 Jahren. Sie waren
aufgrund ihrer Situation als Alleinernährerinnen von Familien, die sich vorwiegend
aus Kindern und alten Menschen zusammensetzten, aufs höchste gefordert.6'

Gerhard Moehring schrieb in seinem Aufsatz: „Lörrach vor 40 Jahren": „Viele
Familien haben bis Ende Februar den ihr zustehenden Zentner Kartoffeln (zur
Einkellerung) noch immer nicht erhalten... Die Eltern, d.h. in der Regel die Frauen
treten dieses (das Essen) meist noch an ihre hungernden Kinder ab. Ältere Leute
klagen, vor Hunger nicht schlafen zu können. Der Gesundheitszustand der Schulkinder
ist gekennzeichnet durch 80% des Normalgewichts. Tuberkulose, Zahnfäule
. Kropfbildung - die Folgen sind mangelnde Konzentration und Aufnahmefähigkeit
*'. In einem Interview mit dem Fabrikanten Dieter Kaltenbach erfuhr ich. daß
„vierzehnjährige Lehrlinge körperlich zwei Jahre zurück waren." In den Akten des
Freiburger Staatsarchivs fand ich den Briefwechsel über den „besorgniserregenden
Zustand** zweier Grundschulkinder, wie dem Mädchen ..Gerlinde B. aus Weil am
Rhein" und dem „siebenjährigen Dieter K.". Die beiden Kinder waren durch gravierende
Unterernährung erkrankt. Beiden konnte innerhalb eines Tages je ein
Nährmittelpaket aus einer Schweizer Spende übergeben werden.71

In der Regel fanden Schulspeisungen statt, und Kinderheime und Schulen konnten
vorrangig mit Nahrungsmittel beliefert werden. Anschaulich war dies an Fotoaufnahmen
während der Nachkriegsausstellung in der alten Schürzenfabrik nahe
der Schweizer Grenze zu sehen. So konnten 400 Schulkinder während zehn Monaten
im „Gasthaus Löwen" in Gresgen bei Zell versorgt werden. Die Kosten dafür
trug die Stadt Lörrach mit beträchtlicher Unterstützung der Gemeinde Riehen.

Erschütterung können Zeitungsanzeigen aus dem Jahre 1946 auslösen wie:
„Wer nimmt ein neugeborenes Kind (Anfang März) in gute Pflege in der Umgebung
Lörrach?" vom 22.06. oder: „Eine Mutter von drei Kindern im Alter von
dreieinhalb, zwei und einem dreiviertel Jahr ist infolge Überarbeitung und Unterernährung
zusammengebrochen und kann vor Herbst das Krankenhaus nicht verlassen
. Wo finden die Kinder zusammen oder einzeln ... bei guter Pflege vorübergehende
Heimat?" vom 16.08., oder „Wo findet zehnjähriges Mädchen Aufnahme
in der Landwirtschaft bei guter Kost und Pflege?" vom 4.06. und „Wer würde fünf
Monate altes Kind (Mädchen) in gute Pflege nehmen ev. auch für ganz nur an
Schweizerfrau?"

1948, nach der Zeit der schlimmsten Hungerjahre, stellte Philipp Hieber im
Osterbericht des Hans-Thoma-Gymnasiums fest, daß „Körper und Nervenkraft
durch langjährigen Mangel an Nahrungsmittel weiter zurückgegangen** sind.

„Der Krankenstand hatte zugenommen, schwerwiegende Tuberkulosefälle
konnten zwar mit Hilfe ausländischer Nahrungsmittelhilfe und finanzieller Unterstützung
vermieden werden, doch die Kindersterblichkeit stieg". Letzteres war auf
den geringeren Fettgehalt in der Muttermilch zurückzuführen.

Bei der Zubereitung der Mahlzeiten gab es erschwerende Bedingungen. Sei es,
daß für die Haltbarmachung von Früchten kein Zucker vorhanden war oder daß

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