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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
61.1999, Heft 1.1999
Seite: 68
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war. Der Schwiegersohn und bisherige Generalkommissar der Mainzer Polizei
steht ebenfalls ganz im Banne der Baronin und ist fest entschlossen, „dieser wunderbaren
Frau bis an das Ende aller Welten zu folgen*'2'.

Zu ihrem Gefolge gehörten auch Frau Antonie Armand aus Genf, die frühere
Gouvernante ihrer beiden Kinder, und der Theologiestudent Henri-Louis Empay-
taz. Dieser war 1813 in Genf völlig unter ihren Einfluß geraten und ist nun seit
1814 bei ihr als Sekretär beschäftigt.

In Basel fand Juliane von Krüdener einen günstigen Boden für ihre Predigten
vor. denn dort gab es damals mehrere neupietistische Gesellschaften. Diese blieben
zwar in die offizielle Kirche eingegliedert, doch wandten sie sich gegen das
aufklärerische Denken und die - nach ihrer Ansicht - zu liberale Auslegung der
Bibel durch die lutherische Kirche. Außerdem glaubten ihre Mitglieder an die
nahe Endzeit. Diese Vereinigungen waren die Herrnhuter Brüdergemeinde, die
..Christentumsgesellschaff', die ..Bibelgesellschaft" und die eben gegründete
..Missionsgesellschaft".

Schon einige Tage nach ihrer Einquartierung im ..Wilden Mann" suchen sie
über hundert Menschen auf. um von ihr geheilt oder gesegnet zu werden. Weil ihr
Zimmer bald zu klein wird, wandelt man den Speisesaal in einen Betsaal um. In
den folgenden Tagen mußten die Türen und Fenster geöffnet werden, damit alle
die Predigerin hören konnten. Es entsteht nun eine regelrechte Erweckungsbewe-
gung. der sich auch junge Mädchen aus angesehenen Familien anschlössen. Etliche
gaben Frau von Krüdener sogar ihre Spargelder, und die Väter beklagten sich,
„daß in dem Maße wie das tägliche Beten zunehme, die tägliche Arbeit und
Besorgung der Hausgeschäfte abnehme"3'.

In Basel hatte sich ihr auch der ehemalige Braunschweiger Oberpostdirektor
Johann Georg Kellner angeschlossen. Dieser war ein enger Mitarbeiter Christian
Friedrich Spittlers gewesen, doch nun wandte er sich Frau von Krüdener zu.

Spittler. der spätere Gründer und Leiter der Pilgermission St. Chrischona. urteilt
in einem Brief an Christian Heinrich Zeller wie folgt über die Baronin: „So viel
Gutes bei dieser lieben Frau ist. so spricht mich diese Art Christentum doch gar
nicht an. Die vielen Visionen, das Dringliche wegen naher Gerichte usw. will mir
nicht einleuchten, ich stimme für das Stille. Ruhige. Geprüfte und Feste im Christengang
und möchte neben den Gerichten auch das viele Gute rühmen, das der
Herr an uns armen Sündern tut. Das beständige Jammern. Klagen. Beten. Fasten.
Kreuzmachen usw. kann am Ende auch Gewohnheit werden."4'

In Basel behandelte der Kleine Rat schließlich die Angelegenheit „Krüdener".
wobei besonders der aufgeklärte Staatsmann Peter Ochs diese in den Sitzungen zur

c c

Sprache brachte. Er forderte eine Untersuchung über das Treiben im „Wilden
Mann", die anschließend von dem Polizeiaufseher Bachofen durchgeführt wurde.
Dieser berichtete am 17. Januar 1816 dem Kleinen Rat. es seien „Leuthe aus allen
Classen der Bürgerschaft aus Neugierde, scharenweise dahin geströhmt. daß die
Zimmer, wo diese Andachtsverrichtungen gehalten worden, ganz mit Zuhörern angefüllt
waren, ohne daß besondere Persohnen darbey genennt werden können"5'.

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