http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1999-02/0164
Doch unabhängig vom Rückgang der beruflichen Handstricker behielten Handarbeiten
allgemein im privaten Bereich bis ins 19./Anfang 20. Jahrhundert eine
wichtige Stellung. Dies insbesondere wegen des erzieherischen Wertes der Handarbeiten
, den vor allem die Anstandsbücher des 19. Jahrhunderts betonen.
Bereits im Laufe des 18. Jahrhunderts hatten Standeszuweisungen ihr Gewicht
verloren. Mann und Frau wurden verstärkt nach scheinbar geschlechtsspezifischen
Eigenschaften interpretiert, wobei den Frauen Passivität. Schwäche und Emotiona-
lität zugeschrieben wurden. Sie sollten ..beglückende Gattinnen, bildende Mütter
und weise Vorsteherinnen des inneren Hauswesens" sein.41 Entsprechend galt es -
insbesondere in der Erziehung der „höheren Töchter" -. die Mädchen schon früh
an ein häusliches, stilles Leben zu gewöhnen. Und das sollte mit Handarbeiten
geschehen. Denn „nur ein Mädchen, das von klein auf daran gewöhnt wurde, eine
bestimmte Zeit zu den Füßen der Mutter strickend oder nähend zu sitzen, und erst
freigelassen wurde, wenn es seine kleine Aufgabe vollendet, wird später als Hausfrau
, oder Vorsteherin eines Haushalts überhaupt, das ganze Räderwerk der Wirtschaftsmaschine
in geregeltem Gange zu erhalten wissen ..." So formulierte es
Elise Polko. Autorin von „Unsere Pilgerfahrt von der Kinderstube bis zum eigenen
Herd" von 1886.51 Handarbeiten galten als geeignete Betätigung, da sie die Gewandtheit
der Finger förderten und den Ordnungs- und Schönheitssinn weckten.
Ein gleichmäßig gestrickter Strumpf war ein „Zeichen von Geschicklichkeit, Fleiß
und Ausdauer"- '. In der Regel sollten die kleinen Mädchen schon mit fünf Jahren
die Kunst des Strickens erlernen, zunächst Strumpfbänder oder Waschlappen, später
Socken. Erst danach kam das Nähen. Flicken. Stopfen und Häkeln. Laut Maria
Calm war das frühe Strickenlernen typisch für Deutschland: „In keinem anderen
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