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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
62.2000, Heft 1.2000
Seite: 6
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2000-01/0008
Ein Pyrrhussieg: Gewerberecht statt Stadtrecht

Am 15. Dezember 1811 unterzeichneten 213 Wehrer Bürger ein vom damaligen
Vogt Balthasar Ritter verfaßtes und an das Großherzogliche Kreisdirektorium des
Wiesentalkreises adressiertes Gesuch, das zehn - zumindest aus der Sicht der
Wehrer - gewichtige Argumente dafür enthielt, „daß dem gedachten Orte die
Stadtrechte gnädigst verliehen werden möchten" 2). Die Idee zu diesem Vorstoß
war ihnen aus dem Wiesental zugetragen worden. Dort hatte ein Jahr zuvor Großherzog
Karl Friedrich den Marktflecken Zell zur Stadt erhoben. Als Begründung
wurden damals die ansehnliche Bevölkerungszahl, der Gewerbefleiß und die bereits
vorhandene Marktgerechtsame angeführt. In dieses Horn bliesen nun auch
die Wehrer, die wie die Zeller bis 1805 zu Vorderösterreich gehört und ebenfalls
jahrhundertelang unter den Herren von Schönau gelebt hatten. Sie rechneten sich
gute Chancen aus, zumal ihr Dorf damals immerhin 1770 Bewohner zählte, während
die junge Stadt Zell es gerade einmal auf 1024 brachte.31

Genau fünf der Argumente für eine Stadterhebung werden aus wirtschaftlichen
Sachverhalten abgeleitet. An erster Stelle wird die Bedeutung Wehrs als Marktflecken
genannt. Sie geht auf die Verleihung des Marktrechts durch Rudolf IV.
von Österreich im Jahr 1363 zurück. Jährlich fanden hier vier Jahr- und Viehmärkte
statt, die besonders von den Bauern des Hotzenwaldes zum Absatz ihrer
„Erzeugnisse und Viktualien" genutzt wurden. Daß die Erhebung zur Stadt ihnen
durch eine wachsende Nachfrage größere Absatzchancen bieten und daher ein
wichtiger Beitrag zur Linderung der Not auf dem Wald sein würde, wird in einem
weiteren Argument angedeutet. Und natürlich darf auch der Hinweis darauf, daß
Wehr durch die Stadtrechte „mehr aufleben, an Industrie und Betriebsamkeit gewinnen
" würde, nicht fehlen.

Schließlich zielen zwei weitere Argumente darauf ab, daß Wehrs wirtschaftliche
Struktur bereits städtischen Charakter besitze und die Verleihung der Stadtrechte
nur der formelle Nachvollzug einer längst bestehenden Faktenlage sei. So habe der
Ort „ohnehin schon lange wegen der Menge der dort sich etablierenden Handwerker
und Künstler eine eigene Zunft- und Viertelslade besessen". Im folgenden
werden dann 140 Handwerksberechtigte aufgezählt, unter ihnen „Schreiner.
Schneider. Schuster, Hutmacher, Färber. Gerber. Büchsenmacher, Schlosser,
Schmied, Wagner, Metzger, Sattler, Strumpf- und Leinweber". Würde man die
Stadtrechte nicht erlangen, so das letzte und vielleicht problematischste der Argumente
, so würden die „Hutmacher. Gerber und Färber" stark unter Druck geraten.
Streng genommen durften diese Gewerbe gemäß einem Gesetz aus dem Jahr 1808
in einem Dorf bzw. auf dem Lande nicht praktiziert werden. Durch die Stadtrechte
wäre jedoch die Ausübung dieser Berufe im nachhinein legalisiert worden.

Die anderen fünf Argumente des Gesuchs waren politisch oder gar städtebaulich
ausgerichtet. Gleich zweimal wird darauf verwiesen, die „Gemeindebürger" beziehungsweise
„der Ort und die Gemeinde" wünschten die Stadterhebung. Von den
1770 Einwohnern besäßen 329 das Bürgerrecht, wovon „bereits die Hälfte Handwerker
" seien - auch diese Zahl wurde ins Feld geführt, um zugleich politischen

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