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37-40 - eine überragende Rolle. Interessant ist, daß es unter den Iro-Schotten
keine Märtyrer gab. Wo die innere Freiheit. Konsequenz und Liebeszuwendung
genuinen Christentums nicht angenommen wurde, wichen die Iroschotten in andere
Länder aus oder mußten fliehen.
Durch folgende Ereignisse wird dies u.a. belegt: Gallus brannte in Tuggen,
Schweiz, eine heidnisch-alamannische Kultstätte nieder. Dies löste Haß aus. dem
die Iroschotten auswichen. Columban erweckte den giftigen Haß der Königingroßmutter
Brunechildis.
Gallus predigte den Alemannen in ihrer Sprache. Fritz Blanke schreibt 1940 in
„Columban und Gallus": „Vielleicht darf man sagen, daß Gallus der erste war, der
den dem alemannischen Volkscharakter angepaßten Missionsweg entdeckte." Sie
wirkten durch ihr Dasein und Sosein. ohne Zwang, Handarbeit, regelmäßige Feldarbeit
. Brunnen graben. Pflege des Ackerbodens. Beachten des Kreislaufs der
Natur gehörten selbstverständlich zum Alltag der Iroschotten. Sie pflegten den
Dreiklang: täglich beten, arbeiten und lesen.
Die iroschottischen Mönche waren Naturverehrer. Sie vertrieben die Tiere nicht,
sondern verwiesen sie an ihren naturbedingten Ort. Daß Mensch und Tier Partner
sind, entspricht der heidnischen Antike und stellt uns heute vor aktuelle Fragen
der Schöpfungstheologie.
Die Legenden um Columban und Gallus sind dafür aussagekräftig genug. Gallus
tritt Bär und Wolf furchtlos gegenüber. Den staunenden Alemannen soll er gesagt
haben, er verlasse sich auf den Gott, der Daniel in der Löwengrube gerettet habe.
Die Legende von Gallus und dem Bären unterstreicht den biblischen Gedanken,
daß Mensch und Tier zur gegenseitigen Hilfeleistung gerufen sind. Die Heilszuwendungen
Gottes gelten Mensch und Tier. Als Gallus Brüder aus Luxeuil besuchen
, fischte er im Bergbach nahe seiner Zelle. Einen Teil des Fischfangs gab er
den Fischottern zurück, den andern Teil den Brüdern zur Nahrung.
Die Praxis im Leben des Gallus entsprach dem Weisheitssatz: ora et labora.
Damit wird von Gallus verdeutlicht, daß wir die Spannungen zwischen Determinismus
und Indeterminismus nicht auflösen können und dürfen, sondern ertragen
müssen, ja gerade in der Spannung des Christenglaubens diese Bipolarität nur
ertragen können.
Da der Mensch sich zunehmend zwischen Macht und Ohnmacht bewegt, könnte
Gallus uns herausfordern zum Nachdenken über Fatalismus, blinden Schicksalsglauben
einerseits und andererseits über unnüchternen Fortschrittsglauben, unwissenschaftlichen
Wissenschaftsglauben, unrealistischen Optimismus - als ob der
Mensch ohne den Meister Christus das Leben meistern könnte.
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