http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2001-01/0087
Feiertagen. Die Seelsorge an den Kranken wird den Geistlichen dringend ans Herz
gelegt. Sie sollen sie besuchen, auch wenn es nicht ausdrücklich verlangt wird. Zu
den Krankenkommunionen sind die Verwandten und Freunde einzuladen. Bei
Beerdigungen soll der Pfarrer eine kurze Predigt vom Tod und von der Auferstehung
halten. Bei allen gottesdienstlichen Handlungen sollen die Pfarrer den Chorrock
tragen. Sonst sollen sie sich nur in ehrlichem und gebührlichem Gewand in
der Öffentlichkeit zeigen.
Die Gemeindeglieder scheinen sich, w ie die Kirchenvisitationen zeigen, auffallend
rasch in die neue Ordnung eingefügt zu haben. Obwohl keine Gewaltmittel
angewandt wurden, hat das Volk die evangelische Lehre schnell und gern angenommen
. Im Generallandesarchiv in Karlsruhe (abgedruckt bei Holdermann a.
a.O.) befindet sich ein Bericht über die Kirchenvisitation, die 1558 in Rötteln
gehalten wurde. Er sei hier als charakteristisches Dokument im Wortlaut des Originals
wiedergegeben:
Der Superintendent daselbsten.
Magister Thomann Grineus. hat zu Heidelberg und Basel studiert, ist zu Rotte -
len durch Sultzerum ordiniert, predigt uff Sonntag Vormittag, auch Zinstag und
Sambstag. spricht das Gebet vermög der Kirchenordnung. Den Katechism hielt er
uff Sonntag, gehe viel Kinder derzu. Die Letzte Lötinei (Litanei) wird gelesen.
Tauft wenn Kinder gebracht, eingewickelt (auf die Frage 6 der Instruktion: ob die
Kinder aus- oder eingewickelt getauft werden). Wird in der Beicht jede Person
besonders examiniert und absolviert, das Nachtmahl wird im Jahr viermal gehalten
. - Weiß von keinen Personen, so in seiner Pfarrei sein, die im Papstthum das
Sakrament empfahen. Versieht und besucht die Kranken. Für die abgestorbenen
Leute wird gepredigt.
Der Diakonus hält Schul, lernen allein deutsch. Die Knaben und etliche des
Volks fahen an Psalmen zu singen. Der Meßmer hielt sich unklagbar. Haben keine
Wiedertäufer. Haben keine Wallferische Bildnisse (Bilder von Wallfahrten), ist
weggenommen. Läuten nit mehr zum Wetter. Haben keine andere Person, so mit
offenlich Lastern beflecken, denn David Gut. der triebt Hurey. doch nit in seiner
Pfarr. aber ußhalb derselben. Das Getzlästera (Gotteslästern) wurdt gestraft. Das
Weinsaufen ist gemein (allgemein). Der Vogt und Gerichtspersonen besuchen die
Kirche und Sakramenten fleißig. Dieselben seien auch mit Lastern ohne befleckt
(unbefleckt). Während der Predigt werden keine Zeche noch wucherliche Contrakt
(Handelsgeschäfte) gehalten. Der geistlich Verwalter hat richtig allda gehandelt.
Des Superentendenten beschwerung.
Desselben Pfarrbehausung ist onerbauen und dieweil die Collektur der Pfarr
meinem gnädigen Herrn gehörig, mag solche durch Befelch des geistlichen Verwalters
zu bauen sein.
Diakons zu Rötel.
Theophilus Grineus (Sohn des Thomas Grynäus. später Pfarrer in Rötteln) ist
uff die beschriebene Fragstuck befragt, hat zu Basel und zu Wittenberg studiert, ist
durch Sulzerum ordiniert - hat gepredigt und in Examini wol geantwortet. -
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