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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
63.2001, Heft 1.2001
Seite: 95
(PDF, 68 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2001-01/0097
Eine Patin trägt das Kind zur Kirche, die andere nach Hause. Während der Tauffeier
wird der Täufling den Paten nacheinander übergeben, ein Brauch, auf dessen
Einhaltung die Tumringer Hebamme. Frau Neef, wie auch die Haagener. Frau
Huber. auch nach dem 2. Weltkrieg noch sorgsam achteten. Die Wochenpredigt
wird in Rötteln jeweils am Donnerstag gehalten. Sie beginnt im Winter um 8.30
Uhr, im Sommer bereits um 6 Uhr morgens. (Der Tag verlief damals etwas anders
als heute. Das Mittagessen wurde oft schon um 10 Uhr eingenommen, und die
Zeit um 3 Uhr nachmittags bezeichnete man vielfach schon als »Abend«.) Bei
Hochzeiten, die meist mit großem Aufwand gefeiert wurden, sollte der Kirchgang
spätestens um 9 Uhr stattfinden, um der üblichen »Morgensuppe«, die mehr als
ein Suppenessen wt_. entgegenzuwirken. »Unehrliche« Hochzeiten sind ohne jedes
Gepränge zu halten. Sie waren damals sehr selten. - Nach Ludwigs Urteil
»waren am Ende des 16. und am Anfang des 17. Jahrhunderts die kirchlichen
Zustände wohlgeordnet, und in voller Eintracht und Glaubensgemeinschaft feierte
man in der Markgrafschaft (1617) das Reformationsjubiläum.«

Doch bald sollte die ruhige Zeit des Pflanzens und Bauens zu Ende gehen.
Schon wetterleuchtete es am Horizont. Und nach der für den jungen Kurfürsten
Friedrich V. von der Pfalz (der sich von den Böhmen zu ihrem König hatte wählen
lassen) so unglücklich ausgegangenen Schlacht am Weißen Berg bei Prag (1620)
brach auch über unser Heimatland jenes furchtbare Gewitter herein, das 30 Jahre
lang über Deutschland sich ausgetobt hat.

Für das Leben der evangelischen Kirche in der Markgrafschaft Baden-Durlach
brachte das Jahr 1629 eine ernste Gefahr: Am 6. März 1629 hatte nämlich Kaiser
Ferdinand II. das sog. Resütutionsedikt erlassen, nach dem alle seit dem Passauer
Vertrag von 1552 eingezogenen Kirchengüter der katholischen Kirche zurückzugeben
waren. Da in Baden-Durlach die Reformation erst 1556 eingeführt worden
war, wurde mit der Ausführung dieses kaiserlichen Befehls alsbald auch in Baden
begonnen. Da erschien 1630 König Gustav Adolf von Schweden auf deutschem
Boden. Markgraf Georg Friedrich V. trat mit ihm in Verbindung. Die Landstände
erklärten in Sulzburg, sie wollten Leib und Leben. Gut und Blut für die evangelische
Sache einsetzen. Durch den Sieg Gustav Adolfs bei Breitenfeld (1631) war es
dem Kaiser nicht mehr möglich, das Restitutionsedikt durchzuführen. Und der
Westfälische Friede (1648) sicherte den alten Bekenntnisstand. So blieb das Mark-
gräflerland evangelisch.

Als der Krieg, der nach 1632 immer entsetzlicheren Verwüstungscharakter
angenommen hatte, den auch unsere Heimat bitter zu spüren bekam, endlich sich
ausgekeucht hatte und die Friedensglocken - soweit sie noch vorhanden waren -
läuteten, läuteten sie über ein ausgeblutetes und verarmtes Land, in dessen Büschen
und Wäldern die Wölfe heulten. Aber nicht nur die Felder waren verhurstet
und nicht nur die Weinberge verwüstet, sondern auch die Menschenherzen. Die
Kirchenzucht konnte während des Krieges nicht mehr in der alten Strenge gehandhabt
werden. Die festen Bande der Gesetze und Sitten lockerten sich. Die unehelichen
Geburten mehrten sich. Zu viel fremdes Kriegsvolk war unterwegs. Die

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