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sich zu guter Zeit aufmachen, um den 6 bis 7 Stunden weiten Weg zurückzulegen,
damit er am Sonntag seinen Gottesdienst in Wieslet halten könne. - 1699 sind
Pfarrer. Lehrer und deutsche Schule zu Rötteln in einem Haus, eben in dem allein
stehengebliebenen Landschaftshaus, das nach dem Bericht »miserabel genug« gewesen
ist. Beim dritten Franzoseneinfall wird es 1702 so verwüstet, »daß weder
Tür noch Tor noch Fenster vorhanden sind, auch alles ausgebrochen und verschlagen
, also daß solches kaum um 200 Gulden kann gemacht werden«. Auch in der
Röttier Kirche haben im Spanischen Erbfolgekrieg die Franzosen übel gehaust.
Kanzel. Altardecken und eine Glocke wurden zerstört oder geraubt. Als endlich
1713 der Friede geschlossen wurde, hatte sich auch auf dem Röttier Chilft manches
verändert. Das Landvogteihaus war nicht mehr da. Schulhaus. Kapitelhaus
und das Haus des Diaconus waren verschwunden, das Pfarrhaus war dem Erdboden
gleichgemacht. Das Spezialat wurde nach Lörrach verlegt, einem Flecken, der
zwar nur ca. 1000 Einwohner zählte, aber 1682 zur Stadt erhoben worden war.
Hierhin (»Burghof« hinter der Stadtkirche) kamen später auch die Behörden, die
vor 1678 auf dem Schloß oder Chilft gewesen waren und in der »Burgvogtei«
(Rebgasse) in Basel vorübergehend Unterkunft gefunden hatten. Hier fand auch
die »Lateinische Röttelische Landschul« im Kapitelhaus (Haus Herrenstraße 10)
im Jahr 1697 eine neue Unterkunft. Sie hieß nun »Kapitelschule«. Im Jahr 1761
bezog sie. nunmehr unter dem Namen »Pädagogium«, in dem großen Gebäude
neben der Ev. Stadtkirche eine neue Bleibe. Dieses Haus war zuvor eine Tabakfabrik
gewesen. Da der Besitzer Bosque aus Straßburg die von ihm 1735 gegründete
Fabrik nicht halten konnte, verkaufte er das Haus um 550 Louisdor an die Herrschaft
, die es dem »Pädagogium« zur Verfügung stellte. Unter der Oberaufsicht
des Speziais (Dekans) unterrichteten am Pädagogium »Prorektoren« und »Präzep-
toren«. die bis 1871 Geistliche waren. Von 1783-1791 war J. P. Hebel »Präzepto-
ratsvikar« an dieser Schule (Vgl. die Erzählung »Der Präzeptoratsvikari« von
Hermann Albrecht, von der Heinrich Vierordt urteilt: »Hoch ragt dein Präzepto-
ratsvicari / ob viel neumodischem Larifari!«). Das Pädagogium wurde später als
Progymnasium weitergeführt und 1883 zu einem neunklassigen humanistischen
Gymnasium ausgebaut, das unzähligen Markgräfler Söhnen, später auch Töchtern,
zur Brunnenstube humanistischer Weisheit geworden ist.
Wie der Dreißigjährige Krieg, so hatten auch die Kriege von 1672-1713 auf das
relisiös-sittliche Leben zerstörend eingewirkt. Über die zunehmende Unsittlichkeit
wurde 1708 im Röttier Bezirk geklagt. Darum erließ der Kirchenrat scharfe
Verordnungen gegen Unzucht. Hurerei und Ehebruch. Die Ausübung der Kirchenzucht
wurde einer Zensurbehörde übertragen. Sie bestand aus dem Pfarrer, dem
Vogt und einigen Richtern und verhängte Geldstrafen wegen Sonntagsentheiligung
. Lässigkeit im Besuch des Gottesdienstes, des Hl. Abendmahls und der
Kinderlehre. Sie schlichtete Ehestreitiskeiten und suchte andere Flecken und Run-
zeln der Gemeinde zu beseitigen. Ein fürstlicher Befehl untersagte 1708 das
»leichtfertige Tanzen«. Später gab es wieder unter gewissen Bedingungen Tanzerlaubnis
. Um solche Veranstaltungen besser überwachen zu können, wurden 1731
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