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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
63.2001, Heft 1.2001
Seite: 101
(PDF, 68 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2001-01/0103
»Tanzzettel« eingeführt. Das Oberamt stellte sie gegen eine Gebühr (1 Gulden, der
dem Waisenhaus zugute kam) aus. der Ortspfarrer mußte sie gegenzeichnen, dann
dienten sie als Eintrittskarten. Doch nicht nur durch solche äußerliche Zuchtmaßnahmen
, denen viele Pfarrer auch kritisch sesenüberstanden. sondern vor allem
durch Predigt. Wochengottesdienste und christliche Unterweisung in Schule und
»Kinderlehre« (= Christenlehre), zu der die Jugendlichen bis etwa zum 20. Lebensjahr
verpflichtet waren, suchten die Pfarrer den geistlich-sittlichen Stand der
Gemeinden zu bessern.

Zum speziellen Gebrauch in der »Kinderlehre«. die nun an die Stelle der
sonntäglichen Mittagspredigt tritt und auch von Erwachsenen besucht wird (so
vielfach noch bis 1914). wurde 1708 ein »Christenlehrbuch« offiziell eingeführt,
das etwa 120 Jahre (bis zum ersten Unionskatechismus) in Geltung war und das
die Eigenart der Badischen evangelischen Kirche stark mitgeprägt hat. Sein Verfasser
ist der Magister Johann Jakob Eisenlohr. Geboren 1655 in Reutlingen,
wurde er später Superintendent in seiner Vaterstadt. Von Reutlingen holte ihn
Markgraf Friedrich Magnus 1702 nach Durlach, wo er bis 1736 die Stellung des
höchsten badischen Geistlichen und eine Professur am Gymnasium bekleidete. Er
war der Reorganisator der Badischen evangelischen Kirche und hatte besondere
Verdienste auf dem Gebiet der Wiederherstellung der Kirchenzucht, der kirchlichsozialen
Arbeit und vor allem der Unterweisung der Jugend. Er war ein Mann von
festem Charakter und unerschrockenem Freimut, den er auch im Zeitalter des
fürstlichen Absolutismus seinem Landesherrn, dem sonst gewissenhaften und
trefflichen Markgrafen Karl Wilhelm, dem Gründer von Karlsruhe, gegenüber
bewahrte. So ließ er bei einer Taufe in Durlach eine Mätresse des Fürsten aufgrund
der Kirchenzuchtordnung nicht als Patin zu. sondern hieß sie öffentlich
fortgehen mit den Worten: »Hier ist nur Platz für ehrbare Leute.« 3 Söhne, 5
Enkel, 9 Urenkel und 7 Ururenkel. also 24 Nachkommen dieses J. J. Eisenlohr,
standen im badischen Kirchendienst.

Das von Eisenlohr verfaßte Christenlehrbuch trägt den Titel: »Kurtze Anweisung
zu dem rechten Verstand des kleinen Catechißmi. in Fragen und Antworten
für die Einfältigen und Schul-Jugend zu dero nützlichen Unterricht und Erbauung
in ihrem Christenthum gestellt und in der untern und obern Markgrafschaft Baden-
Durlach eingeführt.« Es enthält 744 Fragen und Antworten, von denen die erste
lautet: »Welches Glaubens bist du?« mit der Antwort: »Ich bin ein Christ.« Diese
Formulierung seht auf den Brenz"sehen Katechismus von 1556 zurück und hat
sich bis heute an dieser Stelle im Katechismus der Badischen evangelischen Kirche
erhalten. Auch in anderen Teilen knüpft er an die oberdeutsche Tradition einer
gemilderten lutherischen Orthodoxie an, die ggf. auch für Reformierte akzeptabel
ist, so daß er die spätere Union der beiden evangelischen Bekenntnisse in Baden
vorbereitet hat. Auch trägt er. obwohl Eisenlohr nicht zu den Pietisten zu rechnen
ist. ein durchaus pietistisches Gepräge, ein Zeichen dafür, daß bei aller Ablehnung
eines schwärmerischen und separatistischen Ultrapietismus, wie er etwa aus der
Schweiz in Oberländer Gemeinden Eingang zu finden versuchte, der nüchterne.

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