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edle und fromme Freunde mir ihr Herz und ihre Liebe schenkten, wieviele Wohltaten
ich genießen, wie fest und zuverlässig ich auf die Herzen, die Auserwählten
zählen durfte, die Gott mir zu Freunden gab. Ach, mit welcher Wehmut erfüllt
sich mein Herz, wenn ich in die Tage meines hiesigen Aufenthaltes zurückblicke,
wenn ich erwäge, was Ihr mir wäret - meine Freude und meine Krone - welch
glückliche Verbindung ich auflösen soll, was ich an Euch verliere! Wie könnte ich
ohne Schmerz und Tränen mich hier auch trennen, wie könnte ich Dich, teure
Gemeinde, verlassen und diesen Ort, der so lange schon meine Heimat war, ohne
mit tiefer Wehmut erfüllt zu werden. Wenn ich nun denke, daß es das letzte Mal
ist, daß ich von dieser Stätte zu Euch rede und daß es der letzte Segen ist, den ich
Euch heute erteilen soll, dann blutet mein Herz und Eure Tränen zerreißen es noch
mehr. Dann ist mir, als schiede ich von der Welt und es gälte ein Lebewohl bis
zum Wiedersehen in der Ewigkeit.
3.) Dann drängen sich heiße Empfindungen aus der Tiefe meiner Seele heran. Ja
- habet Dank, Ihr guten Menschen, begüterte und arme. Dank aus der Fülle meines
Herzens für jede Wohltat, für jede Freude, für jede Kummerserleichterung und
Lebensverheißung, die mir Eure Liebe gewährte. Hier in diesem Herzen steht es
angeschrieben, und willkommen sei mir jede Gelegenheit und jede Aufforderung
es zu erwidern, es - wenn ich kann - zu vergelten. Unvergeßlich sind mir die
Jahre, die ich bei Euch zubrachte, und sie sollen es bleiben, so lange ich lebe.
Meine Freude und meine Krone seid Ihr gewesen. Ihr werdet es am spätesten
Abend meines Lebens, werdet es in meiner letzten Abschiedsstunde und einst am
Thron Gottes sein! Aber eben darum lasset mich diese Augenblicke auch noch
dazu benutzen, meine letzten Ermahnungen, meine Bitten und Wünsche Euch
mitzuteilen.
Wie könnte ich aus Eurer Mitte austreten, meine Freunde, ohne mein Herz voll
Wünsche für Euch und Eure Kinder auszuschütten. Seit jener feierlichen Stunde,
die mich zu Euerem Lehrer einweihte und lange schon vorher, ward Ihr alle ja so
nah mit mir verbunden durch das Band des gegenseitigen Vertrauens und der
gegenseitigen Achtung und Liebe. Ich trauerte mit Euch, wenn Ihr weintet, und
auch Eure Tränen flössen, wenn über mich und mein Haus Kummer und Schmerz
hereinbrachen. Ich freute mich, wenn Ihr fröhlich wäret, und Ihr wäret meine
Freude und meine Krone. Ich war ja bis heute unter Euch der Zeuge so mancher
stillen häuslichen Tugend, so manches redlichen Kampfes gegen Leidenschaft und
Unrecht, so mancher männlichen Erduldung schwerer Prüfungen und Leiden. So
vielen gab ich die Weihe der Taufe, so vielen erteilte ich am Tage ihres ordentlichen
Glaubensbekenntnisses den Segen der Religion. Auch so manche habe ich
begleitet zu ihrer stillen Ruhe. So viele weihte ich ein zu dem ehelichen Glücke,
dessen sie sich heute noch erfreuen. O wie könnte ich aus Eurer Mitte treten, ohne
Euch Freundliches zu sagen, ohne Euch dem allmächtigen Schutze, der väterlichen
Leitung des Allerhöchsten, der über Euch waltet, zuletzt noch zu empfehlen.
Ja, ich segne Dich, meine teure Gemeinde in dem Namen des Herrn. Gebe Euch
Gott des Guten viel, welches in die Ewigkeit hineinreicht, der Freude viel, welche
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