http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2001-02/0080
Dass die evangelische Kirche von Grenzach zu den schönsten Markgräfler Kirchen
aehört, war den Kennern unserer Heimat schon immer bekannt. Welcher
Schatz sich jedoch jahrhundertelang unter dem Putz der Südwand verbarg, brachte
erst die 1998 abgeschlossene Renovierung der Kirche an den Tag. Beim Abschlagen
des Putzes entdeckte man dieses Kleinod am 18. Dezember 1997. Dank
der Umsicht des leitenden Architekten Waldemar Kern wurden die hervortretenden
Sandsteingewände als Hinweis auf einen alten zugemauerten Eingang gedeutet
und in vorsichtiger Handarbeit von Karl Rillig fachmännisch freigelegt. Was
dabei zu Tage kam, sucht seinesgleichen im Markgräflerland: Ein romanisches
Bogenfeld. ein Tympanon aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Es stammt
aus der Zeit, als am Basler Münster die romanische Galluspforte entstand.
Diese Entdeckung hatte weitreichende Folgen für das bisherige Wissen über
die Baugeschichte der Kirche, war man doch immer davon ausgegangen, dass die
Kirche im 18. Jahrhundert verbreitert worden war. Diese Theorie stimmt ganz
sicher nicht für die Südwand, denn wie eingehende Untersuchungen gezeigt haben
, befindet sich dieser Eingang zur Kirche in situ. d. h. an der ursprünglichen
Stelle. Das bedeutet, dass wir mit der Südwand den ältesten Teil der heutigen
Kirche vor uns haben. Bereits zu dieser Zeit, also vor der ersten urkundlichen
Erwähnung im Jahre 1275, hatte Grenzach eine stattliche Kirche aus Stein. Wie
sich bei weiteren Untersuchungen herausstellte, ist eine Vergrößerung im 18.
Jahrhundert dadurch erreicht worden, dass man das Dach erhöht hat und somit der
Einbau von einer für das Markgräflerland typischen Seitenempore ermöglicht
wurde. Der stattliche Turm mit seinen 33 Metern Höhe stammt aus der Zeit um
1508. der einmalig schöne Chor mit seinem Netzgewölbe wird in die zweite
Hälfte des 15. Jahrhunderts datiert. Die großen rechteckigen Fenstereinbrüche im
Schiff stammen aus der Zeit des 18. Jahrhunderts, als man die Seitenemporen
einzog. Auf der Nordseite der Kirche zeigt uns das östlichste Fenster des Schiffes
noch an. wie die Fenster in gotischer Zeit ausgesehen haben mögen.
Beschreibung des Tympanons
Eingänge zu Kirchen hatten im Mittelalter ganz wichtige theologische Aussagen
zu machen, wie überhaupt der ganze Kirchenbau in seiner Anlage heilsgeschichtliche
und biblische Wahrheiten zu verkünden hatte. Als Beispiel dafür soll
die mystisch allegorische Sichtweise des großen Liturgikers Durandus (13.Jahrhundert
) dienen, der in seinem Werk „Rationale divinorum officiorum" eine vollendete
Zusammenfassung dessen gibt, was das Mittelalter über Liturgie wusste
und empfunden hat. Das Fundament der Kirche symbolisiert für ihn den Glauben,
das Dach die Liebe, die Tür den Gehorsam, der Fußboden die Demut, die vier
Wände die Kardinaltugenden, durch die Fenster kommen die Gastfreundschaft
mit der Heiterkeit und die Barmherzigkeit mit der Freigebigkeit zum Ausdruck.
Diese Betrachtungsweise macht deutlich, dass es im mittelalterlichen Kirchenbau
keine Zufälligkeiten geben kann.
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