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Die badische Revolution
Trotz dieser sichtbaren Verbesserungen gab es auch im badischen Parlament
immer mehr Abgeordnete, die mit dem Erreichten nicht zufrieden waren und ein
radikaleres Gedankengut einbrachten, das sich an den Ideen der Französischen
Revolution orientierte. Friedrich Hecker war Führer der Radikalen, zu denen auch
der Jurist Gustav Stria e gehörte. Ihre Forderungen - soziale Gerechtigkeit. Abschaffung
aller Privilegien, kostenloser Zugang aller zu Unterricht und Bildung.
Beseitigung des Missverhältnisses von Arbeit und Kapital - gipfelten in der Absicht
, die Republik einzuführen.
Dem Grenzland Baden fehlte es seit der Französischen Revolution nicht an
Information und Agitation. Alle Ereignisse, so der Sturz des Königs von Frankreich
und die Einführung der Republik im Juli 1830, aber auch die revolutionären
Unruhen in der Schweiz, die 1836 ihren Höhepunkt und Abschluss fanden, wurden
registriert und diskutiert. „Leidenschaftlich ergriff man Partei für oder gegen
die Sache der Republikaner", schreibt Pfarrer Trenkle. und fügt hinzu, man sei im
Eggener Tal aber fast durchweg „gut großherzoglich" gesinnt gewesen Z3). Diese
Haltung traf mehr oder minder für das ganze badische Oberland zu. jedoch mit
markanten Ausnahmen.
Eine „zunehmende politische Erregung"24' war in den 40er Jahren allenthalben
spürbar. „Die Gedanken der Einheit. Größe und freiheitlichen Entwicklung des
deutschen Vaterlandes" waren zum Gemeingut des Volkes geworden, meint der
Müllheimer Chronist und Stadtpfarrer Sievert, schränkt aber gleich wieder ein,
dass sich „neben dem Wahren und Guten auch viel Unreifes und Unreines" geltend
gemacht habe. Dabei mag er auch daran gedacht haben, dass in Müllheim die
Unruhen mit Krawallen segen die Juden besannen und sich mit Ausschreitunsen
gegen Regierungsbeamte fortsetzten.
Freiheit ja. Einheit auch! Aber: „Umsturzpläne sind der echten Markgräflerart
zuwider", meinte Sievert. Das war der Mehrheit des Landvolkes aus der Seele
gesprochen.
Die Parlamentarier Hecker und Struve waren aber anderer Meinung. Sie hatten
sich schon im September 1847 in Offenburg als „entschiedene Verfassungsfreunde
" an die Öffentlichkeit gewandt und sahen jetzt - im März 1848 - im Karlsruher
Landtag den Zeitpunkt für gekommen, ihre Ziele durchzusetzen. Die gemäßigten
Liberalen im Parlament vermochten sie aber zurückzuweisen, zumal selbst
Hecker. der populärste Wortführer der Demokraten, mit der Ausrufung der Republik
zögerte. Er glaubte zu diesem Zeitpunkt noch an ein allgemeines deutsches
Parlament. Als aber die Verhandlungen im Vorparlament - in der Paulskirche in
Frankfurt - scheiterten, hielt ihn nichts mehr davon zurück, in Baden loszuschlagen
. Am 13. April 1848 trat Hecker von Konstanz aus seinen bewaffneten Marsch
für eine Republik an. Er war von seiner Idee so sehr überzeugt, dass er von einem
wahren Festzug träumte, an dessen Ende die Deutsche Republik ohne Blutvergießen
stehen würde. Trotz beschwörender Warnungen zweier aus Frankfurt herbei-
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