Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
63.2001, Heft 2.2001
Seite: 148
(PDF, 34 MB)
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nahmen dann infolge der Hungersnot immer mehr zu. Nicht den Mut und die
Hoffnung zu verlieren, forderte daher Ende 1945 der Landrat von Müllheim seine
Mitbürger auf. Sie sollten dem heilsamen Ablauf der Zeit und ihrer eigenen Kraft
vertrauen und das Unvermeidliche mit Würde tragen. Sein weiterer Appell, auch
der Militärregierung Vertrauen zu schenken, wird nach den anfänglichen Ausschreitungen
der Besatzungsmacht nicht überall auf Gegenliebe gestoßen sein. So
manches Mal provozierten auch die Deutschen das französische Militär: In der
Nacht vom 21. auf 22. Juli 1945 wurden „an mehreren Stellen der Straßen in
Müllheim Hakenkreuz- und Werwolfzeichen angebracht". Zur Vergeltung nahm
die Militärregierung zehn Bürger in Haft und verschärfte das Ausgehverbot. Die
Kreidezeichen hatten zw ei Buben im Alter von acht und neun Jahren angebracht.

In der 1. Französischen Armee befanden sich neben den Soldaten aus Innerfrankreich
auch Widerstandskämpfer und verschiedene Truppen aus den Kolonien
und den nordafrikanischen Verbänden. Die seit zwölf Jahren vom Ausland abgeschnittenen
Deutschen fürchteten sich vor allem vor den Dunkelhäutigen, den
Marokkanern und anderen Afrikanern. Eine Zeit der Willkür begann, der Diebstähle
. Plünderungen und Vergewaltigungen. Eine junge Frau aus Karlsruhe -
zunächst noch französische Zone - schilderte ihren Verwandten diese ersten Wochen
folgendermaßen: „Es war eine unbeschreibliche, furchtbare Zeit, und wir
haben mehr als einmal den Bombenterror wieder zurückgewünscht, wenn wir
diesen Terror dafür losgeworden wären ... Man war seines Lebens nicht bei Tage
und nicht bei Nacht sicher."

Willkür herrschte auch bei der Requirierung von Wohnungen: selbst alte Leute
mussten oft innerhalb weniger Stunden ihr Heim v erlassen und sich eine Notunterkunft
suchen. Die Wohnungsnot w ar je nach den Kriegsschäden an den Gebäuden
nicht überall gleich problematisch: die Bombenangriffe hatten vor allem die Städte
zerstört. In Freiburg waren drei Viertel der Wohngebäude leicht bis schwer beschädigt
, ein Fünftel davon dem Erdboden gleich gemacht. Lörrach hatte dagegen
durch den Schutz der benachbarten neutralen Schweiz nur 6.5 Prozent teilweise
zerstörte Gebäude zu beklagen. In der Kleinstadt Müllheim waren es sogar nur 1.8
Prozent der Wohnungen, die Schäden davon getragen hatten. Vor allem in Freiburg
stellte die Wohnungsnot - neben der unzureichenden Ernährung - das größte
Problem dar. zumal auch noch rund 3 000 Personen der Landesmilitärregierung
unterzubringen waren. Ein Jahr nach Kriegsende lebten dort noch mehr als 1 000
Familien in Behelfsunterkünften, in Ruinen. Kellern. Schuppen usw.. zum Teil
ohne jede Kochmöglichkeit. An so manchen Tagen gab es für viele trotz vorhandener
Küche nichts zum Zubereiten, wie eine Fürsorgerin aus Freiburg berichtete:
„Vor einigen Tagen um die Mittagszeit habe ich eine junge Frau auf der Straße in
verzweifelter Verfassung angetroffen. Sie erklärte, daß sie heute nicht einmal eine
Suppe als Mittagessen kochen könne, da sie gar nichts habe, auch keine einzige
Kartoffel. Die Frau hat vor kurzem entbunden, der Säugling liegt mit Lungenentzündung
in der Kinderklinik. Zweijähriges Kind noch zuhause."

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