Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fm
Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
63.2001, Heft 2.2001
Seite: 154
(PDF, 34 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2001-02/0156
Inwieweit Schwarzhandelskäufe ins Wirtschaftsleben einbezogen waren, zeigt
die steuerliche Behandlung der „Überpreise", also Schwarzhandelspreise. Sie waren
ebenso wie die Schmiergelder in voller Höhe abzugsfähig. Dem Finanzamt
obliege nicht die Rolle eines Sitten- oder Strafrichters, ist im Mitteilungsblatt der
südbadischen Handelskammern vom März 1948 zu lesen. „Für das Steuerrecht ist
es ohne Bedeutung, daß solche Geschäfte gesetzlich oder moralisch nicht zulässig
sind." In der Bevölkerung wurde der Schwarzhandel keineswegs als moralisch
verwerflich betrachtet, wie 1947 eine bei Freiburger Studenten durchgeführte Umfrage
ergab: 76 Prozent der Befragten würden Leute, die etwas schwarz kauften,
verteidigen und nur 6 Prozent sie verurteilen.

Für den Normalverbraucher war aber auf dem Schwarzmarkt bald nichts mehr
zu holen, sofern er nicht über zusätzliche Geldmittel verfugte. In der Freiburger
Rhodiaceta verdiente 1946 ein Arbeiter pro Woche durchschnittlich 38 Mark. Für
rationierte Lebensmittel gab er wöchentlich 6,40 Mark aus. für zusätzliche Lebensmittel
11 Mark. Die Lebenshaltungskosten für die vierköpfige Familie betrugen
wöchentlich insgesamt 61,50. Es entstand also ein Fehlbetrag von 23,50, der
durch Ersparnisse aufgefüllt werden musste. Noch schlechter erging es den Familien
, deren Ernährer gefallen war oder sich noch in Gefangenschaft befand: Die
Notunterstützung betrug 56 Mark im Monat für die Mutter, dazu für Kinder unter
18 Jahren 18 DM, für die älteren 28 Mark. Wenn die Mutter keinen Zusatzverdienst
hatte. z.B. in Lörrach in der Schokoladenfabrik Suchard oder in einer der
zahlreichen Textilfabriken, war nicht einmal das Existenzminimum gesichert. Viele
waren dazu gezwungen. Waldfrüchte zu sammeln, zu betteln oder gar zu stehlen.

Solange noch Tauschgüter vorhanden waren, versuchten die Familien, sich zunächst
durch Hamstern über Wasser zu halten. Um jedoch in der schlimmsten
Hungerzeit eine gerechtere Verteilung der Lebensmittel zu erreichen, wurden
strengere Kontrollen auf den Bahnhöfen durchgeführt, die Waren konfisziert und
an Krankenhäuser oder ähnliche Institutionen verteilt. Für die Kartoffelernte kündigte
man auch gleich verschärfte Kontrollen an, eine Maßnahme, die der Badische
Gewerkschaftsbund entschieden missbilligte. Sie traf nämlich gerade die
Menschen, die nichts mehr zum Tauschen hatten und sich mit den nach der Kartoffelernte
ausgegrabenen kleinen Knollen über Wasser hielten. Auf diese Art und
Weise hatte auch eine Putzfrau den größten Teil ihrer Kartoffeln ergattert, weitere
bei einem Bauern gekauft, wie sie der französischen Polizei bei der Beschlagnahme
erzählte. Etwas Gemüse hatte sie ebenfalls erstanden, das Fallobst vom Boden
aufgelesen. Nicht nur dass ihr alles abgenommen wurde, sie sollte auch noch eine
Ordnungsstrafe von 300 Mark bezahlen! Wo allerdings das Ministerium Bestrafung
forderte, begnügte sich die Freiburger Stadtverwaltung mit einer Ordnungsstrafe
von - einer Mark! „In Berücksichtigung Ihrer allgemeinen Notlage" wurde
schließlich die Beschlagnahme aufgehoben. Im Herbst 1946 sahen die Behörden
ein, dass sie sich bei den Kontrollen auf die gewerbsmäßigen Großhamsterer und
Schwarzhändler beschränken mussten, damit die Empörung der Bevölkerung nicht
zu einer Protestbewegung führte.

154


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2001-02/0156