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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
63.2001, Heft 2.2001
Seite: 179
(PDF, 34 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2001-02/0181
gen völlig, er braucht kein Wörtchen mehr zu sagen, ja. jedes Wort mehr wäre
weniger - jeder Leser und jeder Hörer weiß Bescheid, was passiert ist - und kann
es verstehen. Mehr braucht man also nicht zu sagen - und soll es auch nicht, denn
es ist ja die Sache der beiden jungen Menschen. Das Tabu ist heilsam, wir spüren
es beim Hören. So müssen wir das Erbe der Sprache ganz neu lernen, um das
Feine dieser Beschreibung zu lernen und die brutale ..Enthüllung" zu verlernen. So
entlässt man andere Menschen in die ihnen zustehende Freiheit der Gotteskinder.
Aber ich fahre fort in der Erzählung, also:

......und einmal vergaßen sie sogar die Zukun ft . und meynten, es sex jetzt. Nach

Verlauf aber eines Jahres hat die Frau auf dem Edelhof in der Nacht desperates
Zahnweh, nicht gerade deswegen. Sie steht aus dem Bette auf, und wirft sich auf
einen Stuhl, sie läuft aus einer Stube in die andere, aus der andern in die dritte. In
der dritten setzt sie sich gegen über einem Fensterlein, das in die Küche geht, mit
einem weißen Vorhang davor, und das Zahnweh wird ihr nun bald vergehen. Sie
sitzt jetzt am rechten Ort dazu. Denn auf einmal sieht sie hell werden hinter dem
weißen Vorhang, sie hört etwas sich bewegen, sie hört etwas flüstern und knistern,
sie schiebt leise das Vorhänglein weg, und in der Küche stehen der Knecht und die
Magd an einem Feuerlein Nachts um 12 Uhr, und legen Späne an das Feuer, und
auf dem Feuer steht ein Pfännlein. - Bereits gibt das Zahnweh ein wenig nach. -
,0 ihr gottloses Lumpenpack,' - sagte sie inwendig für sich. ,So ist denn keinem
Menschen mehr zu trauen. Habt ihr nicht alle Tage euer ordentliches Essen. Ist es
euch nicht gut genug. Müßt ihr mich noch in der Nacht bestehlen, und Leckerbissen
kochen!' Nach einiger Zeit stellt das Weibsbild das Pfännlein von dem Feuer,
als ob sie jetzt die Leckerbissen verzehren wollten, der Knecht aber geht zur
Thüre hinaus. - .Wie der Tag anbricht, laß ich beyde in das Gefängniß werfen', so
fuhr die Edelfrau fort, ,und jage sie weg, ohne ehrlichen Abschied. Am Ende wird
mir die Dirne auch noch schwanger von dem Purschen, in meinem eigenen Haus.
So weit soll 's mir nicht kommen'. Indem kommt der Knecht zurück, und bringt ein
vierteljähriges Kind auf dem Anne und gibt's der Mutter auf die Schoos. Da hörte
plötzlich das Zahnweh der Edelfrau auf wie weggeflogen. Die Mutter gibt dem
Kindlein aus der Pfanne den Brei, sie legt es an die mütterliche Brust, und der
Schein des abnehmenden Feuers gieng zur rechten Zeit über ihr Angesicht, als sie
mit nassen Blicken ihr Kindlein noch einmal beschaute, und dem Vater zurück
gab, und etwas zu ihm sagte. Denn da ward das Herz der Edelfrau wunderbar
bewegt, und kam auf andere Gedanken. Denn es war ihr als ob die Mutter mit den
nassen Blicken gesagt hätte: ,Gott wird des armen Würmleins sich auch erbarmen
'. und als ob sie dazu bestimmt wäre. Ja es fuhr ihr mit Grausen durch die
Seele, was für ein Unglück in ihrem Hause hätte geschehen können, wenn nicht
Gott das Herz der Eltern vor einem schweren Verbrechen bewahrt hätte.

Am frühen Morgen aber ließ sie beyde Eltern vor sich bescheiden. Beide sahen
einander an. ,Was gilt's', - sagte sie - ,wir bekommen unsere Freiheit'. - .Oder
auch nicht', - sagte er. Die Edelfrau aber, als sie hereingetreten waren, redete sie
ernsthaft und gebieterisch an: ,Wo habt ihr euer Kind?'. Da glaubten beyde in den

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