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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
63.2001, Heft 2.2001
Seite: 181
(PDF, 34 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2001-02/0183
zieht nämlich das Ebenbild Gottes an, und fällt deswegen auch in seine Sprache.
Jhr könnt euch am Sonntag in der Stille zusammen geben lassen', - sagte die
Edelfrau - .Ich w ill euch ein angenehmes Heirathsgut stiften. Ich w ill aus eurem
Kinde etwas werden lassen. - Ist's ein Büblein?' - Also wurden sie am nächsten
Sonntag auf Geheiß der Edelfrau zusammen gegeben, und lebten seitdem in Liebe
und Frieden ehelich beysammen. Das Büblein aber kann jetzt schon Haselnüsse
aufbeissen. und lernt fleißig, und hat runde, rothe Backen. - Was aber w eiter
daraus w erden soll, w eiß der, der den Himmel mit der Spanne mißt, und den Staub
der Erde mit einem Dreyling".i:

In der Tat: das ist Gottessprache. Sprache Gottes, in Luthers Deutsch! In und mit
einer so barmherzigen Frau, die mit einem Male alle Hürden der Moral überspringt,
um den ihr anbefohlenen Menschen nahe zu sein, kommt Gott selbst zur Sprache,
zum Sprechen. Das zum Guten bewegte Gemüt, das sich der Elenden annimmt und
die Gefallenen aufrichtet, das ..fällt in Gottes Sprache", weil es das Ebenbild Gottes
wird. Die Geschichte endet - wie fast alle Hebel-Geschichten - mit einer großen
Hoffnung [vgl. auch das ..Unverhoffte Wiedersehen"]. Da kommt die Bibel ins
Leben, und der wird unser Begleiter, an den wir alle nicht mehr glauben wollen. Auf
dem schönen Bild aus dem 1819er-Kalender ist es 4 Uhr morgens, die Zeit des
Aufstehens für die Landwirte. Zum Fenster schaut schon das helle Licht herein. Der
Maler oder Zeichner hat verstanden, was Hebel, der Dichter, meint.

Das ist die Sprache der Barmherzigkeit. Diese Sprache ist uns abhanden gekommen
. Das junge Paar in der Geschichte ist ..zu Hause" angekommen, weil angenommen
von der Person, auf die es angewiesen war. Wir Heutigen sind noch lange nicht
angekommen und angenommen, wenn wir an das Leben in unseren Gesellschaften
denken. Der Molekularbiolose James WATSON fräst. ..warum wir Gott nicht mehr
die Zukunft des Menschen überlassen dürfen". Er spricht eine Sprache, die ohne
Barmherzigkeit ist. Und junge Menschen, denen vieles vorenthalten wird, auch die
Arbeit, suchen dann plötzlich und von niemandem verstanden ihre Heimat im
Kameradschafts.Jieim" einer radikalen Partei. (Es gibt also auch falsche „Heimat").
Die Verantwortlichen werden daraufhin in ihrer Wortwahl immer schärfer. ..Unsere
Felder der öffentlichen Rede sind ausgelaugt", hat ein Journalist in letzter Zeit
geschrieben. 13 In der Aufarbeitung unserer Vergangenheit ist alles gesagt - und
weil man es offensichtlich nicht neu und anders sagen kann, sagt man es immer
lauter. Da tut es gut. dass der sensible Dichter neben der Muttersprache noch eine
kennt, die ihm übrigens auch von der Mutter bekanntgemacht wurde. Walter BENJAMIN
stellt beim Lesen der Hebel-Geschichten erstaunt fest: .Auf Hebel trifft
ohne jeden Zweifel zu. daß neuere deutsche Prosa eine höchst gespannte, höchst
dialektische Auseinandersetzung zwischen zwei Polen ist. Einem konstanten und
einem variablen: Der erste ist das Deutsch der Lutherbibel und der zweite die
Mundart. Wie sich bei Hebel beide durchdringen, das ist der Schlüssel seiner artistischen
Meisterschaft".I4) Und Ernst BLOCH: ..Der Satzbau ist vom Mundklans des
Dialekts, von der Sonne eines Bibeldeutsch beschienen, das zu den Bauern wieder
zurückkehrt" (- und dann selbst zu uns. auch wenn wir nur „Studierte" sind).

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