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liehen Winne und gingen wieder den Berg hinab, dem Thale zu. Hier sahen wir
seltne Pflanzen, nämlich eine Enzianart, den Blaukopf oder die Jasione. den ro-
then und blauen Fingerhut, den blauen Eisenhut. Als wir Tags vorher den Berg
hinaufgestiegen waren, hatten wir eine Eberwurz oder Silberdistel gefunden. Es
war aber nicht die stiellose, großblumige, sondern die Wi Fuß hohe kleinblumige.
Auch Haselnüsse und Heidelbeeren fanden wir. Zuerst kamen wir durch einen
Wald, darnach durch Weideland, in welchem wir einige Holzstöcke sahen, woraus
man schließen kann, daß hier früher auch Wald gewesen sein muß. Wir kamen am
Wegweiser nach St. Wilhelm vorbei. Hier kamen 2 Männer und 3 Frauen zu uns,
die nach Todtnauberg zur Kirche gehen wollten. Dadurch wurden wir erst recht
daran erinnert, daß Sonntag sei. Die Leute waren gesprächige Wälder. Hier sahen
wir wieder an einem Abhang eine Heerde Rinder und Ziegen weiden. Rechts
oben lag Muggenbrunn. Nicht lange darnach kamen wir nach Todtnauberg. Zuerst
gingen wir an einem schönen Bauernhause vorbei, auf dem ein Thürmchen war;
darnach an der Kirche, in der die Orgel und Gesang ertönte. Wir gingen nun nicht
der Straße nach, sondern bogen links um in einen Fußweg am westlichen Abhang
des Feldbergs, denn wir wollten den Wasserfall eines Quellbaches der Wiese sehen
. Endlich gelangten wir nach einigem Fragen in einen neu angelegten Fußweg,
der zum Wasserfall führte. Als wir eine Strecke weiter gegangen waren, kamen
wir zu dem Pfad, auf dem man rechts ab zu dem Fall kommt. Die Herren gingen
zuerst hinab und kamen mit der Nachricht zurück, daß es fast zu gefährlich für uns
sei, zum Wasserfall zu gehen. Gleichwohl durften wir hinabgehen. Herr Ringwald
setzte sich an den gefährlichsten Platz, um womöglich einen Unfall zu verhüten.
Wir meinten das Schauspiel, das wir zu sehen bekommen würden, werde nicht
groß sein, weil wenig Wasser im Bache war. Allein der Wasserfall bot uns einen
herrlichen Anblick dar. Der westliche Quellbach der Wiese fällt hier 318 Fuß über
zwei Felsen herab. Wir betrachteten zuerst den obern Fall, darnach gingen je sechs
auf einen Steg, von wo aus man den untern und auch wieder den obern Wasserfall
sehen konnte. Nachdem Alle das schöne Naturschauspiel gesehen hatten, kehrten
wir wieder in den Fußweg zurück. Von diesem gelangten wir durch den Wald in
die Straße und in dieser nach Todtnau. Die Herren waren im Zweifel, wo wir einkehren
sollten. Einige meinten im Adler, wo das Todtnauer Sonntagskind nach
Hebel einen Schoppen getrunken hat, ehe es auf dem Feldberg verirrte, worauf es
dann der Dengelegeist wieder auf den rechten Weg führte. Endlich entschlossen
sich die Herren, im Gasthaus zum Ochsen einzukehren. Die Leute, die uns am
Tag vorher gesehen hatten, sagten: „Ihr werdet wohl müde werden, bis ihr nach
Steinen kommt." Darauf gaben wir ihnen lachend zur Antwort: „Ja, wir dürfen von
Schönau an fahren."
7. Das Mittagessen in Schönau
Die Gewißheit, daß wir von Schönau an fahren durften, stärkte unsere Kräfte
und verlieh uns Ausdauer. Wir marschierten von Todtnau mutig talabwärts und
kamen bald nach Schönau20, wo vor dem Gasthaus zur Sonne schon die Wägen
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