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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
68.2006, Heft 1.2006
Seite: 109
(PDF, 28 MB)
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GREGORIANIK heute - m ischen Askese und Ekstase

Einen unerwarteten „Meilenstein" in Richtung Pop-Szene setzte schon vor Jahren
die Schola des spanischen Benediktinerklosters Santo Domingo de los Silos.
Bereits 1973 nahmen die Mönche eine Reihe von Gregorianischen Chorälen auf,
im damaligen Franco-Spanien erwies sich die anschließende Veröffentlichung zunächst
als Ladenhüter. Doch die frommen Männer machten weiter, bis 1982 kamen
drei weitere Platten dazu. Kein weltliches Zubrot sollte es sein, sondern allein das
Verlangen nach einer akustischen Dokumentation ihrer Choräle. Dieses mönchische
Machwerk („Las Mejores Obras del Canto Gregoriano") ist tatsächlich kein
kassenträchtiger Mainstream, sondern Gotteslob pur (6). Der Umsatz war in den
folgenden Jahren gigantisch, die Lawine rollte weiter, überwiegend waren die Interessenten
zwischen 18 und 25 Jahre alt, die Nachfrage nach „Canto Gregoriano"
war überwältigend. Gründe für dieses Faszinosum heute? Ein neuer spiritueller
Aufbruch? Wer sich als Pop-Fan Gregorianik kauft, verlangt in erster Linie nach
einem akustischen Ambiente, nach einer Art klingendem Mobiliar. „Holt Euch
die Stille" - lautet der muntere Werbespruch einer Plattenfirma. Der Reiz dieser
Musikform besteht für den jungen Hörer wohl in der archaischen Kraft, in einem
respektiven und suggestiven Ausdruck. Mitsingen ist dabei unmöglich, Mitschwingen
aber geradezu Bedingung, denn nur wer bereit ist, den Zustand, den diese Musik
schaffen will, zuzulassen, wird ihr Geheimnis ergründen und so den Zugang
finden zu jener mystischen, grenzenlosen Faszination, die von scheinbar ungebärdigen
fernen Kulturen ausgeht. Solche Geheimnisse vermutet man zunächst eher
in der kastilischen Hochebene Nordspaniens, in Santo Domingo de los Silos - und
nicht unbedingt in Brügge. Münsterschwarzach oder gar Einsiedeln (6).

Jedenfalls - so will es scheinen - will man der benediktinischen Devise hinter
Klostermauern irgendwie treu bleiben und „ora et labora" um „et canta" erweitern.
Zweifelsohne sind vom Orden der Benediktiner, im 6. Jh. gegründet, starke Impulse
ausgegangen (z.B. die Klostermedizin, 9), die in weiten Bereichen ihre Spuren
hinterlassen haben.

In der „fiebrigen" Branche der Pop- und Jazzmusik bietet sich heute dem
gestressten Musikfan tatsächlich ein anspruchsvolles Ruhekissen an: „Stille"
- heißt das Zauberwort (6). Namen wie Gorecki und Pärt fallen. Die musikalische
„Weihrauchwelle" schwappt auf Europa über. Vivaldi und Mozart schienen beim
Trendpublikum exkommuniziert, der „Kuttenkult" verbreitete sich in den gottlosen
Neunzigern schneller als die Pest im Mittelalter (10). .Akustische Räucherstäbchen
" nannte der SPIEGEL die balsamischen Weisen.

Als komplentativer Renner entpuppte sich „Officium" mit dem vierköpfigen Hil-
liard-Ensemble aus England zusammen mit dem norwegischen Saxophonisten Jan
Garbarek (10). Hier wird eine verblüffende Begegnung von alten Chorälen und
zeitgenössischer Improvisation inszeniert. Im Rahmen der „Stimmen 95" hatten
wir in Lörrach in der Kirche St. Peter damals ein unvergessliches Erlebnis („Sakrale
Klänge in seelenloser Zeit", 12).

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