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Besonders im 18. Jahrhundert wurde das Sujet ..der kirchlichen Lehre angepasst
und einer komplexen Sterbelehre dienstbar gemacht."6
Die monumentalen Totentänze wurden schon am Ende des 18. Jahrhunderts und
bis in die 80er Jahre des 19. Jahrhunderts immer weniger dargestellt. In diese Zeit
fiel auch der Abbruch des berühmten Basler Totentanzes von 1439/40.
Erst im Zuge des Kulturkampfes 1880 wurde gerade in ländlichen Gebieten die
Thematik wieder aufgegriffen. Der sogenannte Kulturkampf bezeichnete die Auseinandersetzung
des Staates mit der katholischen Kirche. Kirche und Staat sollten
streng voneinander getrennt werden.
Die kirchlichen Auftraggeber waren dabei allerdings nicht nur an dem mahnenden
, sondern auch an dem dekorativen Charakter eines Totentanzes interessiert,
so dass vielerorts keine Neuschöpfungen entstanden, sondern häufig alte Vorbilder
kopiert wurden. Für diese Entwicklung stellt der Hertener Totentanz ein gutes Beispiel
dar.
Der Totentanz in der Kapelle Maria Schnee in Herten
Der Hertener Totentanz ist eine Kopie des in dieser Form nicht mehr vorhandenen
Freiburger Totentanzes in der Friedhofskapelle St. Michael. Dieser entstand
vermutlich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nach der Fertigstellung der
Kapelle 1757. Eine Urheberschaft des Freiburger Totentanzes ist nicht eindeutig
geklärt. Poinsignon nimmt noch Christian Wenziger 1891 als Urheber an.8 Später
schreibt Ginter den Totentanz dem Maler Simon Göser zu. da dieser den Stil des
frühen Klassizismus vertritt, der in den Bildern deutlich wird.y 1856 wurde der Totentanz
von Dominik Weber restauriert, der so eine genaue Kenntnis der einzelnen
Darstellungen gewann und dann als Kopien in Herten umsetzte.1" Die im St. Josefshaus
erhaltenen Zeichnungen von Weber sind sehr getreue Kopien des Freiburger
Totentanzes, die wahrscheinlich schon während der Restaurierung entstanden sind.
Die Zeichnungen sind neben Fotografien als Zeugnisse des alten, in dieser Form
nicht mehr erhaltenen Freiburger Totentanzes kunsthistorisch wichtig."
Den Auftrag zur Ausmalung erhielt Weber von Pfarrer Karl Rolfus. der den Totentanz
der Gemeinde stiftete: ..Der Totentanz stamme von H. Weber, ohne dass
man eine Rechnung finde. Pfarrer Rolfus soll denselben nämlich nach einem alten
Vorbild, das er gesehen hätte, gestiftet haben."12 Mit dem ..alten Vorbild"' ist der
Freiburger Totentanz gemeint, der den Pfarrer offensichtlich so beeindruckt hat.
dass er eine Kopie dessen in der Kapelle angebracht haben wollte. Vermutlich erfuhr
Pfarrer Rolfus von den Restaurierungsarbeiten Webers und beauftragte ihn
deshalb.
Die zwölf Bilder des Hertener Totentanzes sind unterteilt in Lebensalter und
Stände (Abb. 1 und Abb. 2). Die ersten sieben zeigen die Lebensalter vom Kind
bis zum Ehemann oder zur Ehefrau, die letzten fünf die Stände, ohne sie jedoch
allzu wörtlich zu nehmen. Allerdings ist der Bilderfries nicht fortlaufend, sondern
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