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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
69.2007, Heft 1.2007
Seite: 146
(PDF, 28 MB)
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Wie Rohner aufzeigt, kann Spekulation bekannte Fakten leicht übersehen und
reizvolle aber vielleicht irreführende Kurzschlüsse hervorrufen. Eine Erklärung,
die nicht spekuliert, fällt nicht leicht, bemerkt er (S. 86). Jedoch die Verwandtschaft
zwischen den Erzählungen der Meister-Erzähler des Alemannischen Raumes
im frühen 19. Jahrhundert und denen ihrer Vorgänger des mittleren 16. Jahrhunderts
ist auffallend. Eingehende Untersuchungen legen dar, dass diese Ähnlichkeit
in der Gleichartigkeit des Ortes, der Erzähltechnik, der dichterischen Absicht
und Leser-Zielgruppe und besonders der Themen und des Charakter-Fundus liegt.
Diese sechs Aspekte sollen nun untersucht werden.

Ein hervorragendes Charakteristikum der Kalendergeschichten von Hebel und
Gotthelf, den beiden großen Meistern dieses Genres im 19. Jahrhundert, ist ihre
Vorliebe für Gasthaus- und Landstraßen-Schauplätze. Hier fühlt sich Hebel besonders
zu Hause. In einem Brief an Freunde in Straßburg schreibt er: „Es ist gar
herrlich, so etwas Vagabundisches in das Leben zu mischen. Das ist es, was den
Bettler groß und stolz macht. Ich habe diese Glücklichen immer beneidet." Viele
seiner Geschichten führen uns in jene Welt, manchmal wenn wir es am wenigsten
erwarten. Eine grobe Schätzung legt nahe, dass dieser Schauplatztyp ein deutliches
Element in ca. 20 c/c der Geschichten des Rheinländischen Hausfreundes bildet.
Drei der besten Beispiele sind: Die zwei Postillione (Z 132). Geschwinde Reise
(Z 143), Verloren und gefunden (Z 224).4'

Mit dem gleichen Blick für dieses Millieu stellte zwei Jahrhunderte früher der
elsässische Schriftsteller Jörg Wickram die „Das Rollwagenbüchlein" betitelte
Geschichtensammlung zusammen, die 1555 bei Knobloch in Straßburg erschien.

In einer Epoche, die reich an komischen und wunderlichen Anekdoten war, hat
das Rollwagenbüchlein seine ganz eigene Note. Es erlangte auch weite Verbreitung
. Drei erweiterte Auflagen folgten innerhalb von drei Jahren, und beim Ausbruch
des 30-jährigen Krieges hatte es bereits 14 Auflagen gegeben. Wickrams
Vorlage wurde schon zwei Jahre später von einer anderen elsässischen Sammlung
nachgeahmt: Martin Montanus' ..Wegkürtzer". der 1557 als „Das dritte Theil des
Rollwagens" herausgegeben wurde. Montanus trat mit Genre-Szenen hervor, die
in dem „Rovers Return" seiner Tage angesiedelt sind. z. B.: Dosch zahlt die Zeche
nicht, über den Burschen, der im Gasthaus nicht zahlen wollte, weil er behauptete,
nicht warten zu können.51

Zwischen der Herausgabe dieser beiden Sammlungen erschien eine weitere elsässische
Sammlung von 129 Geschichten: „Die Gartengesellschaft*' (1556) von
Jakob Frey, einem Freund Wickrams. Alle drei wurden „Schimpf und Ernst", einer
1522 erstmals in Straßburg veröffentlichten umfangreichen Ansammlung von etwa
700 Titeln, nachempfunden, und alle drei teilen eine gewisse südwestdeutsche
oder alemannische Herkunft, indem sie auf die Mannigfaltigkeit und Lebenskraft
des nüchtern anekdotischen erzählerischen Materials zurückgreifen, das die elsässische
. schweizerische und süddeutsche Chronikliteratur des 14. und 15. Jahrhunderts
kennzeichnet, wie zum Beispiel die Berner Chronik von Diebold Schilling
dem Älteren und Teile von Fritsche Closeners Straßburg-Chronik. Heinrich Wit-

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