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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
69.2007, Heft 1.2007
Seite: 154
(PDF, 28 MB)
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Da schämte sich der Bauer, und ließ seinen Vater aus ordentlichem Geschirr
speisen, und dachte an den heiligen Spruch: du sollst Vater und Mutter
ehren, auf daß dir es wohl gehe, so lange du lebest auf Erden.

Der Vorfall ist harmlos im Vergleich zu den vielen derben Geschichten des 16.
Jahrhunderts, in denen die Bauern als verrohte Witzfiguren dargestellt werden.

Gotthelfs Berner Kalender enthält einen ansehnlichen Anteil an Bauerngeschichten
, was von diesem ..Shakespeare als Dorfpfarrer" auch zu erwarten ist.""
Aber bei Hebel markiert die relative Knappheit davon einen Bruch mit der alemannischen
Tradition. An ihrer Stelle warten seine Geschichten oft mit Soldaten
auf. einer gesellschaftlichen Kategorie, die ebenfalls, wenn auch weniger häufig
bei Wickram anzutreffen ist - von seinen Geschichten gehören sechs in diese Kategorie
- wie auch bei den anderen, späteren Vertretern der alemannischen Tradition
. Der Soldat erscheint erstmals ziemlich früh im Rheinischen Hausfreund
mit der Erzählung Der schlaue Husar (Z 23), dessen Zusammenstoß mit einem
von Hebels wenigen Ackersleuten einen entschiedenen Schritt in die Entwicklung
dieses Genres markiert. Die Geschichte ist in Thema und Bearbeitung der Gesinnung
Wickram verpflichtet, also traditionell, obgleich ihre Bezugsquellen nicht
nachgezeichnet wurden. Sie erzählt, wie ein geiziger, aber einfältiger Bauer von
einem Soldaten ausgetrickst wird in einer Weise, die ihm recht geschieht, wenn
auch Hebel am Ende mehrdeutig kommentiert: „Das war fein und listig, aber eben
doch nicht recht, zumal in einer Kapelle." Am Ende des Schatzkästleins sind die
Geschichten, in denen Soldaten verschiedenen Ranges und verschiedener Nationalitäten
vorkommen, häufig: ihr Vorrang wird sogar noch vergrößert, weil sie nun
oft Mittel sind für Hebels eindringlichen Scharfblick. Seine Soldatengeschichten
kombinieren oft die Dringlichkeit eines Anliegens mit der lebhaften Erinnerung
daran, dass sie von 1803 an geschrieben wurden: die denkwürdigsten unter ihnen
datieren von 1812, der Glanzzeit Napoleons. In Kriegszeiten geschrieben, spiegeln
sie die bangen Wunderlichkeiten ihrer potentiellen Leserschaft, wie sie die weltbewegenden
Ereignisse vom Rand aus beobachten, die Kolonnen von abertausenden
von Männern, die durch ihren Landstrich marschieren und manchmal sogar ihre
eigenen Söhne waren. Die Meistererzählung Die gute Mutter (Z 172). die im Jahre
1796 spielt, ist ein treffendes Beispiel. Die Beharrlichkeit der mütterlichen Liebe
trotz des Kontaktverlustes und der verflossenen Zeiträume und des extremen Auf
und Ab in Kriegszeiten war für Hebel ein anschauliches Beispiel einiger grundsätzlicher
Tatsachen des menschlichen Lebens, die selbst das schlichteste Menschenwesen
verstehen kann.

Dies ist das Thema einer von Hebels bekanntesten Geschichten. Kannin-erstan
(Z 58), ein meisterhaftes Beispiel des Genres der „Missverständnis-Geschichten",
das einen so selbständigen Faden in seinem Werk spinnt. Die Missverständnis-
Geschichte ist der Doppelzüngigkeits- oder Täuschungs-Geschichte verwandt.
Der Unterschied besteht vor allem darin, dass hier naive Schlichtheit im Zentrum
steht, während sie dort gewöhnlich durch berechnende Verschlagenheit überlistet

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