http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2007-01/0161
nen. In Schlechter Gewinn (Z 36) kommt der Jude weniger gut weg. aber in der
nächsten Geschichte. Der wohlbezahlte Spaßvogel (Z 37) ist er seinem Gegner gewachsen
:
Wie man in den Wald schreit, so schreit es wieder heraus. Ein Spaßvogel
wollte in den neunziger Jahren einen Juden in Frankfurt zum besten haben.
Er sprach also zu ihm: ..Weißt du auch. Mansche!, daß in Zukunft die Juden
in ganz Frankreich auf Eseln reiten müssen?" Dem hat der Jude so geantwortet
: „ Wenn das ist. artiger Herr, so wollen wir zwei auf dem deutschen
Boden bleiben, wenn schon Ihr kein Jude seid."
Glimpf geht über Schimpf (Z 178) dringt tiefer ein. Der Jude, der jedesmal von
den Kindern verspottet wird, wenn er einmal wöchentlich durch ihr Dorf kommt,
beschließt, sich loszukaufen. Sein Plan zahlt sich nicht aus. Endlich erklärt er.
dass er ihr Stillschweigen nicht länger bezahlen könne. Die Antwort der Kinder
ist einfach und unerwartet: wenn du nicht bezahlst, werden wir dich nicht mehr
beschimpfen! „Und von der Stund an. ließen sie ihn ruhig durch das Dorf gehen".
In Kurze Station (Z 190) ist ein reisender Jude der Narr - aber ist er es wirklich?
Hebel kommt den sozialen und psychologischen Vielfältigkeiten des Antisemitismus
näher in Wie einmal ein schönes Roß um fünf Prügel feil gewesen ist (Z 196).
worin ein Jude einen Offizier überredet, ihm sein Pferd für fünf Stockschläge zu
verkaufen, jedoch hinnehmen muss. dass er ihn selbst mit Hilfe eines Notars nicht
zwingen kann, ihm den rechtsfünften Prügelschlag zu verabreichen, der das Pferd
zu dem seinen machen würde: „Man muss sich nie um Gewissens willen freiwillig
misshandeln lassen" ist hier die nachdenkenswerte Moral. In Drei Worte (Z 138)
schließen ein Jude und ein Kaufmann eine Wette ab: der Jude gewinnt sie und alles
scheint in Ordnung in der Biedermeier-Welt, die Hebel so oft vorwegnimmt,
wohingegen er in Der gläserne Jude (Z 205) den Leser der unabänderlichen Erkenntnis
überlässt, dass die Stellung eines Juden in jener gemütlichen deutschen
Welt so brüchig werden kann, wie der sonderbare Titel der Geschichte nahelegt,
wenn Unrecht das Gleichgewicht durcheinander bringt. Als ein Jude durch einen
Husar bedroht wird, der ihn zusammenschlagen will, versteckt ihn sein Schwager
in einem Sack, indem er behauptet, der enthalte Glas. Der Soldat schlägt mit seinem
Schwert darauf, und. um die tiefe Wahrheit zu bekräftigen, dass er tatsächlich
verwundbar ist. antwortet der Jude, indem er vorgibt. Glas zu sein und passende
„kling kling" Laute macht. „Mein Leben lang will (...) ich kein Glas mehr werden"
sagt er. als der Husar gegangen und die Gefahr vorüber ist. Auf menschlichere Behandlung
werden Juden wohl etwas länger warten müssen: dies ist die Absicht von
Zschokkes jüdischer Kalendergeschichte Wurst wider Wurst. In einer Barbierstube,
jenen Schauplatz, den Wickram als den typischen Platz beschrieben hat. worin solche
Geschichten gelesen werden sollen, stimmt ein Jude zu. solange zu warten, um
sein Geld zurückzuerhalten, bis sein christlicher Schuldner rasiert ist: der Letztere
aber beschließt dann, sich einen Bart wachsen zu lassen.
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