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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
69.2007, Heft 2.2007
Seite: 73
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-2007-02/0075
tome der Vergiftung, die mittelalterliche Berichterstatter beschreiben, weisen deutliche
Parallelen zu der in der heutigen Medizin als Ergotismus bezeichneten
Krankheit auf. Der Ergotismus tritt in zwei unterschiedlichen Formen auf: Dem
sogenannten Mutterkornbrand (.Ergotismus gangraenosus") und der im Deutschen
meist Kriebel- oder Kribbelkrankheit genannten Form (.Ergotismus convulsivus')8.
Symptomatisch für den Mutterkornbrand ist das Brandigwerden der Gliedmaßen,
während die Kribbelkrankheit mit schmerzhaften Krampfanfällen, insbesondere
der Beugemuskeln von Armen und Beinen, einhergeht. Beide Verlaufsformen beginnen
ähnlich. Würgereiz. Erbrechen. Kopfschmerzen und ein unangenehmes
Kribbeln am gesamten Körper zählen zu den Anfangs Symptomen. Begleitet werden
beide Formen zudem von Halluzinationen, die einem durch die Droge LSD
(„Lysergsäurediäthylamid") hervorgerufenen Rausch ähneln. Im Jahre 1949 wurde
schließlich der Nachweis erbracht, dass das Rauschmittel der Mutterkorngruppe
angehört.

Nach diesen Anfangssymptomen erscheint der weitere Krankheits verlauf je nach
Form unterschiedlich. Der .Ergotismus convulsivus" geht mit den namengebenden
Krampfzuständen von Muskelgruppen einher, an deren Ende Muskelschwund und
Dauerkontraktion stehen. Zwischen den Krampfanfällen leiden die Erkrankten unter
unstillbaren Durst- und Hungergefühlen. Bisweilen werden die Nervenbahnen
dauerhaft geschädigt. Die Folae ist eine spürbare Beeinträchtigung des Geisteszu-
Standes. Beim Mutterkornbrand tritt hingegen eine Verengung der Blutgefäße auf.
die bis hin zu einer vollständigen Unterbindung der Blutzirkulation reicht. Infolgedessen
bilden sich zunächst Blasen auf der Haut. Die betroffenen Gliedmaßen werden
durch den Brand schwarz und lösen sich vom Körper.

Wenngleich allein auf der Grundlage mehr oder weniger detailreicher Schilderungen
mittelalterlicher Zeitgenossen retrospektive Diagnosen von Krankheiten in
der medizinhistorischen Forschung als unzulässig angesehen werden, ist doch zumindest
eine Annäherung an historische Krankheitsphänomene und ihre spezifische
Wahrnehmung in vergangenen Jahrhunderten möglich4. So beschreiben die
Xantener Annalen mit deutlichen Parallelen zu der heute als Ergotismus bekannten
Krankheit für das Jahr 857 erstmals eine Massenerkrankung mit anschwellenden
Blasen, abscheulicher Fäulnis und abfallenden Gliedmaßen in den Rheinlanden10.
Auch in den folgenden Jahrhunderten flammte das .Heilige Feuer" nach Missernten
beiderseits entlang des Rheins immer wieder auf. Die konkreten Auswirkungen
am Oberrhein harren einer weiteren Erforschung. Dass das Heilige Feuer auch in
der Region stark präsent gewesen sein muss, zeigt sich nicht zuletzt in der Gründung
von Niederlassungen des Antoniterordens. so in Freiburg im Breisgau. Straßburg
oder Isenheim".

Die Antoniter waren die erste spezialisierte Krankenpflegegemeinschaft des Mittelalters
. Der Orden entwickelte sich während der zweiten Hälfte des LI. Jahrhunderts
aus einer Laienbruderschaft in dem Dorf La-Motte-aux-Bois in der Dauphi-
ne. dem späteren Saint-Antoinei:. Dorthin waren der Überlieferung zufolge um
1070 die Gebeine des heiligen Einsiedlers Antonius von Byzanz aus überführt

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