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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
69.2007, Heft 2.2007
Seite: 76
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nössische Berichterstatter mit diesem weitverbreiteten Gerücht der jüdischen Brunnenvergiftung
unmittelbar in Verbindung bringen, erwähnt er in diesem Zusammenhang
nicht. Wie der Mindener Dominikaner Heinrich von Herford, so zweifelte auch
der Straßburger Kleriker am Wahrheitsgehalt jener todbringenden Verleumdung und
erkannte die Habgier als eigentliche Triebfeder der Pogrome14.

Der Winter des Jahres 1348/1349 am Oberrhein war eine Zeit der Gewalt und
der Gier. Er war aber auch eine Zeit der Angst. Der Angst vor dem unaufhaltsamen
Herannahen eines Massensterbens zuvor unbekannten Ausmaßes2". Boten eilten
zwischen den Städten hin und her. Die Briefe, die sie überbrachten, verhießen
nichts Gutes. Straßburg unterhielt zur Mitte des 14. Jahrhunderts vor allem mit
ober- und mittelrheinischen wie westschweizerischen Städten regelmäßige Botenkontakte
. Aus den Monaten vor der Mordaktion an den Juden im Februar 1349
sind nicht weniger als 13 Schreiben - darunter zwei der Stadt Köln - erhalten geblieben
, in welchen man sich besorgt über die Hintergründe der Anschuldigungen
und den drohenden Aufruhr informieren wollte. Immer wieder ging es um das vermeintliche
jüdische Gift und dessen Herkunft. Immer wieder, sehr zur Beunruhigung
des Straßburger Rates, deuteten die Spuren nach Straßburg als einem Zentrum
der angeblichen Giftmischerei. So hatte ein Jude aus Freiburg im Üechtland
Ende 1348 unter der Folter ausgesagt, sein Straßburger Glaubensgenosse Anselm
von Veringen habe Gift direkt aus Jerusalem herbeigeschafft. Dieses töte nur die
Christen, verschone aber die Juden. Auch in anderen oberrheinischen Städten gärte
es. Neben Straßburg nennt der Chronist Matthias von Neuenburg auch Basel und
Freiburg als Städte, in denen Juden unter der Beschuldigung der Brunnenvergiftung
getötet wurden21. Im Sommer 1349. Monate nach dem Massenmord, brach
der .Schwarze Tod" über Straßburg und die gesamte Region herein.

Die Beschäftigung mit mittelalterlichen Seuchen, ja mit Krankheitsbildern vergangener
Epochen überhaupt, macht noch eine weitere Vorbemerkung unerlässlich. Mittelalterliche
Chronisten und Ärzte beschreiben gesundheitliche Beeinträchtigungen
auf der Grundlage zeitspezifischer medizinischer Modelle. Diese haben mit den heute
gängigen nichts gemein. So sind die in den Quellen als große sterbote, groet steif
oder pestilencia bezeichneten Seuchen nicht unbedingt mit der heute unter dem Namen
Pest definierten Krankheitseinheit identisch. Retrospektive Diagnosen auf der
Basis mittelalterlicher Schriftquellen lehnt die medizinhistorische Forschung deshalb
zu Recht ab. Paläopathologische Untersuchungen bringen indes in jüngster Zeit neues
Licht ins Dunkel der Spekulationen um den .Schwarzen Tod" und die mittelalterliche
Pest. Nicht wie unlängst eine britische Studie behauptet hat. ein virales hämorrhagisches
Fieber wie Ebola, sondern wohl doch der bakterielle Erreger .Yersinia
Pestis* war es wohl, der das mittelalterliche Massensterben verursacht hat. In der
Pulpa von Zähnen aus mittelalterlichen Massengräbern fand sich genügend Material
zur Rekonstruktion einer entsprechenden DNA. Dass französische und britische Forscher
bei ihren Untersuchungen im Detail andere Laborergebnisse erzielten, ändert
wohl nichts mehr an dieser eigentlichen Erkenntnis. Doch aus dem Labor des 21.
nun zurück ins Straßburg des 14. Jahrhunderts.

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